«Der Ton und Stil war völlig inakzeptabel»
Die neue Führungsspitze der Odenwaldschule in Deutschland, die durch Missbrauchsfälle in die Schlagzeilen geraten war, ist überraschend zurückgetreten.

Neben dem Vorstandsvorsitzenden Michael Frenzel zieht sich auch Vorstandssprecher Johannes von Dohnanyi aus der Leitung der Schule zurück. «Wir waren für den Trägerverein nur noch die Buhmänner», sagte Dohnanyi auf dapd-Anfrage. Der siebenköpfige Vorstand war am Sonntag in Heppenheim zusammengekommen, um über eine mögliche Entschädigung der Missbrauchsopfer an dem Elite-Internat zu beraten. Nach einer kurzen Vorbesprechung verlasen Frenzel und Dohnanyi ihre Rücktrittserklärung und verliessen die Vorstandssitzung, die auch am Nachmittag noch andauerte.
Ärger über Umgang mit dem Trägerverein
Der neue Vorstand war erst vor einem halben Jahr gewählt worden. «Wir sind angetreten, um im Missbrauchsskandal eine möglichst positive und harmonische Lösung mit den Betroffenen zu finden», sagte Dohnanyi. Demnach sollte dem von Missbrauchsopfern gegründeten Verein «Glasbrechen» noch in diesem Jahr eine sechsstellige Summe bereitgestellt werden. Doch Frenzel und Dohnanyi vermissten den Rückhalt des Trägervereins der Odenwaldschule. «Der Ton und Stil zwischen Teilen des Trägervereins und dem Vorstand war völlig inakzeptabel», sagte Dohnanyi. Er und Frenzel seien für Teile des Trägervereins «polarisierende Figuren» gewesen. «Es ging nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um Streit mit uns», beklagte Dohnanyi.
Der zurückgetretene Vorstandssprecher liess durchblicken, dass seiner Entscheidung noch weitere Vorstandsmitglieder folgen könnten: «Wenn die Schule in Sachen Entschädigung keine Lösung findet, könnte sich der Vorstand komplett auflösen.» Die Schule selbst wollte zu den Vorwürfen Dohnanyis zunächst keine Stellung nehmen. «Es wird am Sonntag keine offizielle Verlautbarung dazu geben», sagte Sprecherin Gertrud Ohling von Haken.
Mindestens 70 Schülerinnen und Schüler missbraucht
Der von ehemaligen Schülern gegründete Opferverein «Glasbrechen» hatte die angekündigten Entschädigungszahlungen in Höhe von rund 100'000 Euro im September als symbolischen Beitrag akzeptiert, da sie auch ein Schuldeingeständnis der Schule seien. Von 1966 bis in die Neunzigerjahre sollen mindestens 70 Schüler an der Odenwaldschule missbraucht worden seien.
Unter den Beschuldigten war auch der frühere Schulleiter Gerold Becker, der im Juli verstorben ist. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt stellte allerdings sämtliche Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Lehrer wegen sexuellen Missbrauchs ein, weil die mutmasslichen Taten verjährt sind.
dapd/raa
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