Der Steuermann für Steuermüde
Sie haben wenigstens sechs Millionen Franken auf der hohen Kante und suchen am Genfersee ein mildes Steuerklima: Bei Wirtschaftsanwalt Philippe Kenel werden reiche Ausländer fündig.
Gedämpft dringt das Zwitschern der Vögel im Garten der Genfer Anwaltskanzlei Python & Peter durch die raumhohen Fenster der Bibliothek. Gut gelaunt schiebt Philippe Kenel ein grau-weisses Büchlein mit Ringheftung über den lackierten Holztisch und lehnt sich bequem zurück. In der eleganten Broschüre steht zusammengefasst alles, was steuermüde Ausländer wissen wollen: In der Schweiz zahlen sie weder auf Vermögen noch auf Einkommen Steuern, wenn sie das Modell der Pauschalsteuer wählen. Vielmehr dient ihr Lebensaufwand als Grundlage für die Berechnung der Steuer nach der Formel «Jahresmiete oder Eigenmietwert des Hauses mal fünf». Voraussetzung für diese Besteuerung nach dem Aufwand ist, dass die Ausländer in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.Er holt 30 Reiche pro JahrUnter dem halben Dutzend auf Pauschalsteuern spezialisierten Anwälten am Genfersee gilt der Lausanner Philippe Kenel als der Grösste im Geschäft. Der heute 48-Jährige war in der Waadtländer Verwaltung tätig, bevor er zur Kanzlei Python & Peter stiess; seit 15 Jahren arbeitet er als Berater für umzugswillige Ausländer, er war Generalsekretär der Westschweizer Vereinigung der Pauschalierten. Zum Abschluss kommt es nach seinen Aussagen jährlich mit etwa 30 Personen, etwa 15 lassen sich in der Waadt nieder, die anderen zieht es ins Wallis und nach Genf. Der Anwalt vermittelt seinen Klienten Steuervorteile, doch Kenel spricht gerne umfassender von einem spannenden menschlichen Abenteuer, bei dem auch anderes zählt: etwa die Aufenthaltsbewilligung für ein marokkanisches Kindermädchen; dafür soll ihm eine Familie aus Frankreich heute noch dankbar sein. Doch bevor Kenel die Details eines Umzugs bespricht, sondieren Vertreter der Klienten das Terrain. «Ein Anwalt oder ein Bankier kontaktiert mich und sagt, er habe da eine Person, die ihr Land verlassen will.» Vermögen liegt bei 20 Millionen Wegziehen wollen Franzosen, Belgier, Engländer und Holländer, seltener erhält Kenel auch Anfragen von Australiern und Russen. Die Umzugswilligen sind zwischen 45 und 60 Jahre alt und haben ihr Vermögen entweder geerbt oder es in der Vermögensverwaltung oder durch den Verkauf ihrer Firma verdient. Es geht um viel Geld: «Mindestens sechs Millionen Franken, denn wenn sie bloss 2000 Euro Steuern sparen, bleiben die Leute, wo sie sind», sagt Kenel, der ein Vermögen von 20 Millionen Franken als typisches Beispiel nennt. Steuerlich interessant für solche Summen sind England, Belgien, Luxemburg und die Schweiz, die vier Länder stehen zusammen auf einer sogenannten «Short List». Welches der vier gewählt wird, hängt von anderen persönlichen Bedürfnissen ab. Engländer ziehen gerne ins Wallis, weil sie die Berge und den Skisport mögen, der Abgeschiedenheit ziehen sie allerdings hippe Kurorte wie Verbier und Crans Montana vor. Pariser wiederum ziehen nach Genf, und zwar am liebsten in den noblen Stadtteil Cologny. Noch lieber aber wählen sie Brüssel, weil das Leben in der belgischen Hauptstadt einfach lustiger ist als in der Schweiz, wie Kenel sagt. Er muss es wissen : Neben den beiden Büros in Genf und Lausanne hat der Anwalt auch Brüssel als Arbeitsort. Die Schweiz punkte zwar mit den Schulen, der Sicherheit und Ordnung sowie der guten Verkehrsanbindung, stehe im Ausland aber im Ruf einer Langweilerin: Die Franzosen nennen das «un enterrement de première classe». Romandie profitiert am meisten Und auf dieses erstklassige Begräbnis würden sie ganz verzichten, wenn es keine Pauschalsteuer gäbe? «Sonnenklar» scheint Kenel die Antwort auf diese Frage. «Dann ist die Schweiz nicht mehr auf der «Short List», und die Schönheit des Lac Léman genügt nun einmal nicht, um die reichen Ausländer zu halten.» Kenel erwartet zwar nicht gleich den Exodus aller Pauschalierten, doch für Neuzuzüge sieht er schwarz. Die Deutschschweiz treffe das kaum, beschwert sich der Wirtschaftsanwalt, dank tiefer Vermögenssteuern bleibe sie für Reiche weiterhin attraktiv. Die Romandie aber zahle die Zeche, schliesslich lebten rund drei Viertel aller Pauschalierten hier. So sieht es auch Pascal Broulis, freisinniger Finanzdirektor der Pauschalen-Spitzenreiterin Waadt. Heute spülen die rund 1200 Pauschalierten jährlich rund 86 Millionen Franken oder 3 Prozent der Steuereinnahmen in die Kantonskasse und bringen auch der lokalen Wirtschaft Geld. Wer diese Ausfälle kompensieren wolle, müsse andere Steuern erhöhen oder Leistungen abbauen, sagt Broulis. Dass der Linken auch in seinem Kanton Flügel wachsen, seit Zürich die Abschaffung der umstrittenen Steuer beschlossen hat, scheint den Freisinnigen allerdings nicht gross zu beunruhigen, der entsprechenden Parlamentsdebatte blieb er fern. Anwalt Kenel hingegen plädiert für rasche Reformen, um die Pauschalsteuer vor ihrem Untergang zu retten. Ginge es nach ihm, würde die Kontrolle über die tatsächlichen Ausgaben verschärft und die Bemessungsgrundlage per Bundesverordnung schweizweit auf mindestens 300 000 Franken erhöht, was etwa 100 000 Franken an Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern entspricht. Finanzdirektoren auf der SucheOb dies auch die Konferenz der Finanzdirektoren so sieht, wird sich weisen, ihr siebenköpfiger Vorstand bespricht die Folgen des wachsenden Drucks auf diese Steuerform am 20. März. Einer der berühmtesten der gut 4000 Pauschalierten in der Schweiz hat bereits öffentlich über seine Steuerrechnung parliert: Frankreichs Altrocker Johnny Hallyday liefert nach eigenen Angaben 900 000 Franken ab. Sollte es künftig etwas mehr sein, versicherte er im «Matin», bliebe er dem bernischen Gstaad und seinem Chalet trotzdem treu. Zumindest um Steuern zu zahlen – respektive zu sparen: Gesichtet wurde Hallyday gemäss Medienberichten letztes Jahr auf der ganzen Welt, – bloss kaum je in seinem «Domizil» in Gstaad.>
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