Der «Pharao» in der Klemme
Lange Zeit ist es Ägyptens Präsident gelungen, zwischen Israel und den Palästinensern zu vermitteln. Doch zur islamistischen Hamas hatte Mubarak nie einen guten Draht. Jetzt verliert er seine Sonderrolle im israelisch-palästinensischen Konflikt und gerät immer mehr unter Druck.
«Die Herzen der Ägypter glühen», heisst es in der ägyptischen Oppositionszeitung «Al-Fajr», von einer «Revolution des Zorns» spricht das religiös orientierte Blatt «Al-Ahrar». Und die Demonstranten brüllen: «Oh, Mubarak, für wie viele Dollar hast du Gaza verkauft?» In Ägypten und in Syrien, in Libanon, Jemen und anderswo in der arabischen Welt wird Ägyptens Präsident offen als «Verräter» bezeichnet. Empört über «Verräterrolle»Je länger Israels Bodenoffensive im Gazastreifen anhält, je mehr palästinensische Zivilisten sterben, je dramatischer die humanitäre Situation wird, umso mehr wird der Druck auf Hosni Mubarak wachsen, in der arabischen Welt – und im eigenen Land. Doch der fast 81-jährige Herrscher am Nil verfolgt tatenlos das Blutbad in Gaza, die Grenze zu seinem Land hält er eisern geschlossen. Nur ein paar wenige, schwer verwundete Palästinenser konnten bisher zur medizinischen Versorgung nach Ägypten einreisen.Hosni Mubarak steckt tief in der Klemme. Selbst jene Ägypter, die der islamistischen Hamas misstrauen, sind empört und beschämt über die «Verräterrolle», in die sie ihr Führer in den Augen der arabischen Welt manövriert hat. Hat er den Israelis «grünes Licht» für das «barbarische Massaker» (so «Al-Ahram») gegeben, wird gefragt. Oder: Wie konnte er am Tag vor Beginn der israelischen Offensive in Gaza Israels Aussenministerin Tzipi Livni in Kairo umarmen? Viele in der arabischen Welt sind von Mubaraks Komplizenschaft überzeugt. Die ägyptische Opposition, die Muslimbruderschaft (MB), aber auch die säkulare Opposition verlangen, dass der Grenzübergang nach Gaza in Rafah geöffnet wird und die Beziehungen zu Israel abgebrochen werden. «Ägypten wird nicht in die israelische Falle tappen», lautet Mubaraks Antwort. «Die Grenze bleibt geschlossen.» Doch auch die Vermittlerrolle will Ägyptens Führer nicht weiter übernehmen. Seit Längerem konzentriert Mubarak sich in der Politik fast ausschliesslich darauf, seine Nachfolge zu regeln. Vorgesehen hat er seinen Sohn Gamal. Die Sicherheitskräfte sind voll auf die Absicherung der Macht der Familie konzentriert. «Einfluss, Lebensstil und Machtausübung dieser Familie hat pharaonische Ausmasse angenommen», sagt der prominente Soziologe Saadeddin Ibrahim.Lange Zeit erfolgreichDas Problem, das der Krieg im Gazastreifen für Ägypten darstellt, ist vor diesem Hintergrund zu bewerten. Mubarak spielte stets eine Sonderrolle im israelisch-palästinensischen Konflikt, durch den Frieden mit Israel als Vermittler prädestiniert. Lange Zeit war Ägypten das einzige Land, das auf die Palästinenser mässigenden Einfluss hatte. Immer wieder war es Mubarak gelungen, die verschiedenen Palästinensergruppen an einen Tisch zu bringen und sie auf eine gemeinsame Linie festzulegen. Doch während Ägypten mit der Fatah und der Palästinensischen Autonomiebehörde Freundschaft verbindet, waren die Bande mit der Hamas nur aus der Not geboren, belastet durch die Angst vor islamistischer Militanz auch im eigenen Land. Denn die Hamas ist ein «Kind» der ägyptischen Muslimbrüder, der gefährlichsten Oppositionsbewegung am Nil. Als die Hamas im Vorjahr in Gaza die Macht an sich riss, stellten ägyptische Führer klar, dass Kairo keinen islamistischen Staat an seinen Grenzen dulden werde. Mubarak versuchte durch Gespräche die Hamas und die Fatah zu versöhnen, mit dem Ziel, die Islamisten an einer Regierung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) als Juniorpartner zu beteiligen. Der Plan schlug fehl, und ungehört verhallten Mubaraks Warnungen an die Hamas, durch den Raketenbeschuss Israels eine Katastrophe heraufzubeschwören.Innenpolitische GefahrenFest entschlossen, nicht in die «israelische Falle» zu tappen – das würde heissen, wie zwischen 1948 und 1967 die Verantwortung für den Gazastreifen zu übernehmen – , hält Mubarak seit Monaten alle Grenzen geschlossen. Offene Grenzen würden den Zustrom Hunderttausender bitterarmer Palästinenser nach Ägypten bedeuten. Das wäre für das Land kaum zu verkraften. Israel würde in einer solchen Situation zudem Ägypten für alle Gewaltakte der Palästinenser verantwortlich machen.Die Öffnung der Grenze brächte auch innenpolitisch neue Probleme. Die Muslimbrüder würden entscheidend gestärkt und damit die Gefahr von Terror und Unruhe im Land enorm erhöht. Schon haben im Sinai die traditionell eher unpolitischen Beduinen begonnen, sich zu engagieren und Waffenlager anzulegen. Sie könnten sich mit palästinensischen Flüchtlingen aus Gaza zusammenschliessen und gemeinsam mit den Muslimbrüdern gegen das Regime vorgehen.Druck auf Mubarak, die Grenzübergänge geschlossen zu halten, kommt auch aus den USA, welche die Kapitulation der Hamas erzwingen wollen. Washington hat ein gutes Druckmittel auf Mubarak: 1,4 Milliarden Dollar beträgt die jährliche Hilfe der USA an die ägyptische Regierung. Für Ägypten geht es in Gaza auch um entscheidende geostrategische Fragen – insbesondere um Irans Einfluss. Seine jüngsten Vermittlungsbemühungen in Gaza seien durch das «rote Licht aus Teheran» gescheitert, klagte Mubaraks Aussenminister. >
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