Tanz in der BaustelleDer Geist der Kartonfabrik
Die Performerin Karin Minger tanzt in ihrem Projekt «endlich» im Bernapark Deisswil. Wenn dort Abfall herumliegt, baut sie ihn einfach in ihre Choreografie ein.

Karin Minger, in Ihrem Projekt «endlich» tanzen Sie in Räumen, die gerade ungenutzt sind: im Bernapark Deisswil, in einem Hotel, das saniert wird, in der noch unfertigen Schwimmhalle im Neufeld. Was reizt Sie an solchen Baustellen?
Ich habe schon viel in öffentlichen Gebäuden getanzt – Kirchen, Museen, Pärke. Diese Orte sind aber bestimmt durch ihren Zweck. Sie haben einen Charakter, eine Aufgabe, und ich habe mich mit meinem Tanz immer nach den Räumen gerichtet. Nun habe ich nach Orten gesucht, die noch nicht durch ihre Nutzung oder das Interieur geformt sind. Orte, an denen man sich noch alles vorstellen kann.
Wie findet man solche Räume? Und war es einfach, die Zuständigen von Ihrem Projekt zu überzeugen?
Mir war bald klar, dass ich die Räume zum Thema «endlich» bespielen will. Endlich im Sinne von zeitlich begrenzt. So ist für mich auch der Tanz: Wenn ich tanze, ist das ein flüchtiger Moment, und nichts, das beispielsweise in Form eines Videos konserviert wird. Im Moment sein, hören, schauen, wahrnehmen und wieder gehen. Mit dieser Idee gelangte ich an Architekten und Immobilienverwaltungen – zusammen mit der Absicherung, dass für sie mit dem Projekt keine Mehraufwände anfallen. Das ganze Konzept ist so aufgestellt, dass wir sehr spontan reagieren können. So konnte ich Zusammenarbeiten aufbauen.
Inwiefern beeinflusst der Ort die Musik und die Choreografie?
Sehr. Ich war letzte Woche zum ersten Mal im Bernapark Deisswil, mit im Gepäck meine paar Ideen, die ich mir im Studio überlegt hatte. Vieles zeigt sich aber erst vor Ort: Was sind die Distanzen, habe ich ein Fenster im Hintergrund, welche Beschaffenheit hat der Boden? In Deisswil liegen beispielsweise Styroporplatten herum – die baue ich dann einfach in meine Choreografie ein. So spontan zu arbeiten, verlangt aber auch Flexibilität von allen Beteiligten. Auch von den Musikerinnen und Musikern: Die Akustik ist überall anders. Aber genau darauf haben wir alle Lust – denn solche Unsicherheiten machen kreativ.
Das fünfköpfige Ensemble, mit dem Sie auftreten, kombiniert Musik von Barock über Jazz bis zu elektronischer Musik. Was ist klanglich zu erwarten?
Viele Überraschungen, eine grosse Vielfalt an Klang, Bildern und Räumen. Jede Vorstellung wird anders, weil wir die Reihenfolge der Stücke je nach Raum bestimmen. Was dazu führt, dass jedes Mal etwas anderes «erzählt» wird. Wir haben ausserdem Tonaufnahmen gemacht, weil das Projekt terminlich sehr kurzfristig auf die Verfügbarkeit der Spielorte reagieren soll. Sollte dann jemand aus dem Ensemble verhindert sein, können wir ausprobieren, ob wir die Musik neu arrangieren oder allenfalls mit den Aufnahmen ergänzen. Wir sind da sehr flexibel.
Man sagt, in alten Häusern spüre man die Aura der Vergangenheit. Was strahlen Orte aus, die unfertig sind?
Ein möblierter, dekorierter Raum hat eine gewisse Haltung. Das ist in unfertigen Räumen anders – sie regen die Fantasie an und öffnen den Geist. Man ist völlig frei, in dem Moment, in dem man sich ihnen hingibt.
Ehemalige Kartonfabrik Deisswil, Sa, 20.5., 19 Uhr, und So, 21.5., 11 Uhr. Weitere Spieldaten und -orte siehe www.karinminger.com/endlich
Fehler gefunden?Jetzt melden.