Defätismus mit Seele
Warum auf dem Seil tanzen, wenn es sich so schön in den Seilen liegen lässt: Das sagt sich die Band I Made You A Tape, die ihr Album «Proud and Young» tauft.

Es gab Zeiten, da hat man dem Synthesizer jegliches Seelenleben abgesprochen. Auf dem ersten Album der Berner Gruppe I Made You A Tape ist nun nachzuhören, dass diese Einschätzung grober Unfug war.
Im Intro des zweiten Stückes ist es zu hören: Da erklingt ein Synthesizerton, der so himmeltraurig anmutet, dass man fast Mitleid mit ihm hat, er eiert leicht und beginnt irgendwann leicht zu zittern, als erleide er grösste Seelenpein. Seine Stimmführung wird erst wieder etwas fester, als sich ein ebenso trauriger und kunstloser Schlepp-Beat zu ihm gesellt und eine unvergnügte Sängerin versucht, sich ihrer vermuteten Unsterblichkeit zu vergewissern.
Wider den Indie-Kanon
Fröhlich ist das nicht, seelenlos schon gar nicht. Und was auf diesen Synthesizer zutrifft, das trifft auf das ganze Werk des Berner Quartetts zu. «Proud and Young» heisst sowohl das beschriebene Stück wie auch das ganze Album. Doch während der Titel auf ein juveniles Aufbegehren und überbordenden Teen-Spirit hindeutet, präsentiert sich das Tonwerk im grossen Ganzen als niederschmetterndes, ernstes und abgedunkeltes Ereignis – und als ein durchaus beglückendes.
Weil hier nicht im handelsüblichen Indie-Kanon mitgesungen wird, sondern weil I Made You A Tape eine Band ist, die ganz gerne am Klang forscht, wunderlichen Gitarren- und Effekt-Bombast auftürmt und immer wieder mit höchst aparten rhythmischen Finten aufwartet (hinter den Fellen amtet der «KulturStattBern»-Kolumnist Mirko Schwab).
Internationales Andocken
Das ist dermassen einnehmend, dass man sich als Hörer des Albums öfters dabei ertappt, die ganze Klangkulisse fast ein bisschen attraktiver zu finden als das, was sich vor dem Gesangsmikrofon abspielt. Da ballt sich zuweilen etwas gar viel Kunstwollen und grundloses Pathos. Umso interessanter wird es immer dann, wenn Sängerin Sibill Emma Kim Urweider sich um eine gewisse Schnoddrigkeit bemüht und ein paar aufrauende Effekte in den Gesangskanal schlauft (glorios: «Just a Word»).
Und wie wollen wir das Ganze nun nennen? No-Future-Mucke mit Unvergänglichkeitsfantasien? Post-Punk mit Musikausbildung? Die Band selbst hat sich mit der Bezeichnung Psych-Wave angefreundet und spricht von einem Andocken an den internationalen Underground. «Proud and Young» ist viel besser als das. Da ist etwas ganz und gar Eigentümliches entstanden, acht Lieder, die nie damit aufhören, die Neugier zu kitzeln. Und: Warum auf dem Seil tanzen, wenn es sich so schön in den Seilen liegen lässt.
CD-Taufe: Sa, 30. 9., Spinnerei Bern (ehemals Via Felsenau)
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