
Es ist eine politische Sensation: Die bernischen Stimmberechtigten lehnen eine Kürzung der Sozialhilfe ab. Gegen den Willen der Regierung. Und gegen den Willen der geeinten bürgerlichen Parteien von BDP bis SVP, die im Kantonsparlament über eine solide Mehrheit verfügen. Wie konnte das passieren?
Zuallererst gelang es den Befürwortern nicht, die Bevölkerung zu überzeugen, dass Handlungsdruck besteht. Wie auch? Die Losung «Wer arbeiten will, findet auch eine Stelle» gilt schon länger nicht mehr. Das zeigen die Zahlen, und das scheint auch bei der Bevölkerung angekommen zu sein. Wenn die Stellen fehlen, hilft auch Druck nicht weiter.
Die Strategie der Linken, das Gesetz mit einem Volksvorschlag zu bekämpfen, ist hingegen aufgegangen. Zwar scheiterte das Ansinnen deutlicher als die Kürzungsvorlage. Durch die populistische Forderung nach einer Besserstellung von älteren Arbeitslosen richtete sich der Fokus aber auf ein Bezügersegment, für das auch die bürgerliche Basis Verständnis aufbringt.
So schön der überraschende Erfolg für die Kürzungsgegner auch ist: Wer nun hofft, dass das Thema ad acta gelegt wird, dürfte sich täuschen. Der Prozess der Digitalisierung ist noch lange nicht abgeschlossen. Damit werden Stellen für Niedrigqualifizierte zunehmend rar. Zudem werden in den nächsten Jahren zahlreiche Geflüchtete in die kantonale Sozialhilfe überführt. Die Sozialhilfekosten dürften deshalb weiter steigen.
Bis zu einem gewissen Grad nimmt man das in Kauf. Das knappe Resultat zeigt aber, dass der Bereitschaft Grenzen gesetzt sind. Wer in Zukunft Kürzungen verhindern will, tut gut daran, die Kostenentwicklung nicht aus den Augen zu verlieren. Ebenso bleibt es stossend, wenn erwerbstätige Familien nicht mehr Geld zur Verfügung haben als solche, die vollständig von der Sozialhilfe abhängig sind. Dies auf sozialverträgliche Weise zu ändern, ist keine leichte Aufgabe. Aber es ist – wie die Missbrauchsbekämpfung – zwingend, damit das Vertrauen in die Sozialhilfe erhalten bleibt.
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Das Thema lässt sich noch nicht abhaken
Für die Linke ist das Nein zur gekürzten Sozialhilfe im Kanton Bern ein grosser Erfolg. Doch die Frage nach den Kosten bleibt.