Das Leben, bei Neonlicht besehen
Am Festival Auawirleben packen Jonas Vermeulen und Boris Van Severen vier Biografien in eine Art DJ-Oper.

Wenn Träume eine Richtung hätten, dann ist klar, wohin: nach oben. Besonders, wenn man sieben Jahre alt ist und sich als Astronautin zu den Sternen wünscht. So wie das Mädchen, von dem in der Produktion «The Only Way Is Up» am Festival Auawirleben die Rede ist, und ihren drei besten Freunden. Die Möglichkeiten sind grenzenlos - oder wird man dereinst doch in die Fussstapfen des Vaters treten, arbeiten, Geld verdienen, bankrott gehen? Wer weiss das schon.
Die beiden Belgier Jonas Vermeulen und Boris Van Severen haben sich für ihr Stück von einer BBC-Doku-Serie inspirieren lassen, in der Menschen über einen sehr langen Zeitraum hinweg immer wieder gefilmt wurden - seit 1964 alle sieben Jahre. Welche Bögen nimmt so ein Lebenslauf, ist die Route vorgespurt oder reiner Zufall? Vermeulen und Van Severen skizzieren die Biografien von vier Figuren vom ersten Kuss bis zur Trennung, vom ersten Job bis zum Burn-out, vom ersten Aufbegehren bis zur Desillusionierung, vom ersten Kind bis zum Todesfall. Und wie die beiden das tun - in einer Art DJ-Oper, als rasante Abfolge von Tracks und Songs. An der Wand hinter den zwei Performern leuchten bunte Silhouetten und Schriften aus Neonröhren auf, als ob der Konzeptkünstler Bruce Nauman seine Finger im Spiel gehabt hätte.
Vier Lebensläufe, gesungen, gesampelt, gerappt, und das in gerade mal einer Stunde: Klar, dass das Biografien in ganz groben Zügen sind, und ebenso klar, dass da das Stereotype lauert - beim Karrierehengst, der sich zu Tode rackert, ebenso wie beim Aussteiger, der im Alter doch zufrieden im kleinbürgerlichen Garten hockt und sich über den Schmetterling freut, der auf seinem Arm landet. Ein bisschen zu offensichtlich ist oft auch der Soundtrack: Rock illustriert die Revolte, und beim Drogenrausch im Nachtclub lärmt der Technobeat. Doch das kratzt nur leicht an der Kraft dieser Hochleistungsperformance. Und dass die Biografien von ganz normalen Menschen zum Banalen tendieren, kann man den beiden Belgiern nun wirklich nicht vorwerfen. «The Only Way Is Up» hat denn auch etwas Tröstliches: Die Träume, einst nach oben offen, schrumpfen irgendwann auf Wohnzimmergrösse. Aber das ist kein Drama.
Auawirleben dauert noch bis 26. Mai.
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