Prequel zu «Bridgerton»Das grosse Experiment
In der Vorgeschichte zur Erfolgsserie «Bridgerton» heiratet der König von England eine schwarze Frau. Die Serie ist erneut ein Hit. Doch «Queen Charlotte» verschenkt das Thema völlig.

Als Weihnachten 2020 die Serie «Bridgerton» auf Netflix anlief, ging ein wohliger Schock durch die von der Pandemie ermattete Zuschauerschaft. Grund eins: Die Historienromanze war voller sehr expliziter Sexszenen. Grund zwei: Ihre sehr attraktiven Darsteller waren nicht alle weiss, wie das in diesem Genre lange üblich war, sondern hatten alle möglichen Hautfarben.
Die Königin von England wurde gespielt von der dunkelhäutigen Golda Rosheuvel. Der fesche Duke von Hastings: schwarz. Die Höflinge: schwarz mit Dreadlocks. Erklärt wurde diese aristokratische Diversität nur beiläufig. Der König habe eben vor Jahrzehnten eine schwarze Frau geheiratet, seither sei die Welt eine andere.
Natürlich schlummerte da eine Geschichte, und das Prequel zu «Bridgerton», also die Vorgeschichte, ist nun mit Queen Charlotte auf Netflix zu sehen. Es ist die Liebesgeschichte zwischen König George III. und der deutschen Adeligen Sophie Charlotte, Herzogin von Mecklenburg-Strelitz. Die beiden gab es tatsächlich, sie heirateten 1761, und noch etwas ist interessant: Auf manchen historischen Porträts hat Charlotte Züge, die nahelegen, dass sie auch schwarze Vorfahren gehabt haben mag, zum Beispiel über den portugiesischen Zweig ihrer Familie. Das war es, was die Drehbuchautorin und Serienproduzentin von Bridgerton, Shonda Rhimes, zu ihrer besonderen Umsetzung der Serie inspirierte.
Mit den Details hält sich die Serie nicht so gern auf.
Das Problem ist nur: Auch das Prequel fügt dem multikulturellen Serienkosmos nicht viel hinzu. Dass Charlotte (sehr charmant gespielt von India Amarteifio) dunkle Haut hat, fällt erst auf, als man sie schon zur Hochzeit nach London geholt hat und es kein Zurück mehr gibt. Also tut die Mutter des Königs so, als sei genau das der Plan gewesen, und nennt die Verbindung der Hautfarben das «grosse Experiment». Spontan werden noch reiche Schwarze zur Hochzeit geladen und mit neuen Titeln in den Adelsstand erhoben.

Es knirscht freilich bei der Zusammenführung der «Seiten», aber mit den Details hält sich die Serie nicht so gern auf, es wird auch nicht erklärt, wo die vielen schwarzen Aristokratie-Anwärter herkommen und wie ihr Leben vor dem «Experiment» aussah. «Queen Charlotte» will von Liebe erzählen, von einer jungen Königin wider Willen und ihrem hübschen, aber sich ihr entziehenden Gemahl, der, wie sich herausstellt, an einer Geisteskrankheit leidet. Die hochinteressante Prämisse der schwarzen Königin wird weitgehend: verschenkt.
Vielleicht liegt das daran, dass die DNA von «Bridgerton» mit halbwegs ernsthafter historischer Spekulation einfach nicht kompatibel ist. «Bridgerton» ist klebrig süsses Gebäck mit goldener Zuckerglasur, dessen Liebesgeschichten nur der Optik wegen im Regency-England des frühen 19. Jahrhunderts spielen. Weil man da alle in pastellfarbene Seidenkleider stecken und auf Bällen tanzen lassen kann, die aussehen, als hätte eine Highschool im mittleren Westen der USA einen ambitionierten Motto-Abschlussball inszeniert. Es lebe die Königin? Leider nur: Es lebe der Kitsch.
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