«Das Glück muss man herausfordern»
Glück, Geduld, Gelassenheit, Geld und Gesundheit: Das sind die «fünf Gs» von Fritz Bösch. An der Generalversammlung vom 20. Januar tritt der Gründer und Patron von Feintool zurück. Er ist einer, der von ganz unten kam.

«Bund»:Herr Bösch, Sie werden 75, die Feintool 50. 1998 haben Sie sich aus der Konzernleitung zurückgezogen, am 20. Januar geben Sie nun auch das Präsidium ab. Was geht Ihnen durch den Kopf?Fritz Bösch: Das ist natürlich ein enormer Moment. Vor 50 Jahren habe ich in jugendlichem Übermut die Feintool gegründet. Und als 25-Jähriger dachte ich keinen Moment daran, ob das gut gehen wird oder nicht. Die Aufwärtsentwicklung, die schon kurz danach eintrat, war gar nicht geplant.Erinnern Sie sich an Existenzängste?Ja. Nachdem ich am 1. April 1959 mit meinem Kollegen Wilfried Hügi und meinen ersten gesparten 20000 Franken in Biberist die Hügi & Bösch gegründet hatte, wussten wir oft nicht, auf welche Seite die Firma kippt. Mit unserer Feinschneidtechnik richteten wir uns damals vor allem an die Büromaschinenindustrie, und weil der Schweizer Markt zu klein war, versuchten wir unser Glück schon früh im Ausland. Die Zeiten waren schwierig. Als wir für eine Maschine einen Kredit von 5000 Franken benötigten, gab es von der Bank kein Geld. Ich musste einen Bürgen suchen. Und auch später musste ich mich immer wieder weit hinauslehnen und verschulden. Mein Haus war mit Hypotheken bis ins Dach hinauf belehnt.1963 gingen Sie nach Amerika. Wie schaffte die kleine Feintool im grossen US-Markt den Durchbruch?Die Amerikaner hatten nicht auf uns gewartet und sagten, sie bräuchten unsere Feinschneidtechnik nicht. Entscheidend für mich war jedoch stets die langfristige Ausrichtung. Mit der 1971 in White Plains im Bundesstaat New York gegründeten ersten Tochterfirma schrieben wir während über zehn Jahren rote Zahlen. Wir brauchten viel Geduld und Gelassenheit. Aus heutiger Sicht, als börsenkotiertes Unternehmen, wäre so etwas gar nicht mehr möglich. Nebst der Geduld und der Gelassenheit gehören noch drei weitere Gs zu Ihrer Lebenshaltung...Ja, Glück, Gesundheit und Geld.Wann hat ein Unternehmer Glück?Das Glück kommt nicht einfach daher. Man muss es herausfordern und dann packen. Als wir am 1. Mai 1971 den Betrieb in White Plains übernahmen, war der Dollar Fr. 4.26 wert. Eine Zahl, die ich nie vergesse. Denn am 10. Mai kam die Meldung, der Franken werde um zehn Prozent aufgewertet. Damit war unsere Investition in den USA nach wenigen Tagen bereits zehn Prozent weniger wert. Und das war erst der Anfang: Wir erlebten damals die Geburtsstunde des Taschenrechners und mussten mit ansehen, wie unsere Kundschaft, die Büromaschinenindustrie, wie ein Kartenhaus zusammenbrach. Zum Glück hatte ich bereits Mitte der 60er-Jahre den Blick auf mögliche neue Anwendungsgebiete gerichtet und mich um die Entwicklung grösserer Maschinen gekümmert. Deshalb schafften wir dann den Übergang zum heutigen Hauptkunden, der Autoindustrie, relativ gut. Geld und Gesundheit?Als Unternehmer braucht man Geld – aber nicht zu viel. Hat man zu viel, wird man übermütig und schaut zu wenig zur Sache. Auch die Gesundheit ist sehr wichtig. Das habe ich während der letzten Jahre erlebt, als nach einer erfolgreichen Knieoperation, sechs Monate später bei einer Punktierung eine Bakterie ins Gelenk gelangte; durch diese Infektion fiel ich zeitweise völlig aus und konnte über ein halbes Jahr nicht mehr am Geschäft teilnehmen. Sehen Sie sich als Patron?Ja, ich bin ein Patron. Ich ging früher fast täglich durch den Betrieb, und ich kannte alle Mitarbeiter. Ein Meister im Werkzeugbau sagte mir einst: Wenn Sie durch meine Abteilung gehen, herrscht danach während zweier Wochen wieder eine ausgezeichnete Stimmung.Und heute – kennen Sie die Mitarbeiter immer noch mit Namen?>Ich kenne viele, wir haben ja eine grosse Zahl an langjährigen Mitarbeitern. Die motiviertesten Mitarbeiter sind übrigens die ehemaligen Lehrlinge. Es ist fantastisch zu sehen, wie sie hinter dem Unternehmen stehen. Wenn ich jeweils die neuen Lehrlinge begrüsse, sage ich stets: Es wird euch während der Lehre manchmal stinken, aber da müsst ihr einfach durch. Wenn ihr weglauft, werdet ihr im Leben auch sonst immer wieder weglaufen. Und ich sage den Lehrlingen auch, wie wichtig ein Berufsausweis ist. Damit kommt man später beruflich in die ganze Welt hinaus.Sie haben bereits in den 1960er-Jahren den Monatslohn für die Arbeiter eingeführt, zudem eine zusätzliche Ferienwoche. Und ab den 1970er-Jahren erhielten die Lehrlinge einen Leistungslohn. Was hat Sie dazu veranlasst?Das hat damit zu tun, dass ich von ganz unten komme. Ich habe Werkzeugmacher gelernt und dabei erfahren, wie man an der Basis denkt und empfindet. Eine Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen möchte. Zu Hause mussten wir unten durch: Mein Vater verdiente als Zimmermann immer zu wenig Geld, ab und zu wurden wir auch betrieben. Und nach der Lehre verdiente ich schon bald mehr als der Vater. Dies prägt, und ich sagte mir, das möchte ich selbst nicht erleben. Diese schwierige Zeit war auch ein Grund, warum ich mich selbstständig machte und regelmässig 16Stunden am Tag arbeitete.Eine Erfahrung, über die viele Manager nicht verfügen.Unternehmer und Manager sind zwei völlig verschiedene Tätigkeiten. Ich nahm nie Geld aus der Firma, um es dann als Darlehen wieder hineinzugeben. Ich konnte auch nie ein eigenes Portefeuille aufbauen. Ich sagte mir einfach: Wenn es der Feintool gut geht, dann geht es auch mir gut. Als Chef einer vor allem im Export tätigen Firma waren Sie viel unterwegs. Wie hat Sie dies beeinflusst?Als Unternehmer ist man in fremden Ländern nur erfolgreich, wenn man versucht, die jeweiligen Kulturen zu verstehen. Allein schon in Europa ist dies sehr spannend. Fasziniert haben mich auch Osteuropa, die USA und Asien. Die dort gewonnenen Erfahrungen spornten mich auch immer wieder an.Sie haben schon sehr früh auch in Japan eine Produktion aufgebaut. Wie haben Sie dies geschafft?Ich habe mich von Beginn an intensiv mit der japanischen Kultur auseinandergesetzt. Mit der Zeit wurde dies sehr spannend, interessant und hilfreich. Seit 1964 war ich jedes Jahr in Japan, aber ich masse mir dennoch nicht an, das Land zu kennen. Es stört mich, wenn ich heute Managern begegne, die einmal in Japan waren und dann meinen, sie wüssten Bescheid. Was wird sich unter dem neuen Feintool-Präsidenten Alexander von Witzleben verändern?Er ist 45, ich werde 75. Das ist ein grosser Altersunterschied. Im Alter ist man einfach weniger leistungsfähig und dynamisch. Es ist wichtig, dass nun jemand jüngeres kommt, der genau den Drang verspürt, wie ich ihn früher hatte. Ich bin zuversichtlich, dass dies gut kommt. Bleiben Sie im Verwaltungsrat?Nein, das wäre nicht gut. Man hätte den Eindruck, der Bösch will immer noch überall dabei sein. Nach 50 Jahren möchte ich den Schnitt nun endgültig machen. Dem Unternehmen bleibe ich noch beratend verbunden, dies auch dank meinen vielen persönlichen Kundenbeziehungen. Sie halten 25,9 Prozent der Aktien. Werden Sie dieses Paket reduzieren?Nein, in dieser Hinsicht bleibe ich Feintool verbunden. Auch meine Tochter Monika Löffel-Bösch, die im Verwaltungsrat vertreten ist, hängt sehr an Feintool und ist klar der Meinung, wir sollten nicht verkaufen. Ich habe mit der Familie einen Vertrag abgeschlossen. Sollte mir etwas geschehen, wird Monika das Sagen haben. Unser Aktienanteil ist auch ein gewisser Schutz gegen unerwünschte Übernahmeversuche.Wie verändert sich nun Ihr Alltag?Bis heute hatte ich noch oft einen Zehn- bis Zwölfstundentag – für Feintool, für Bigla und für meine Tätigkeiten im Radsport und beim Stade de Suisse in Bern. Da wird sich sicher etwas ändern. Ich will mir mehr Zeit für die Familie und für den Freundeskreis nehmen. In diesem Winter war ich bereits auf den Skis, und ich habe 2008 mit dem Golfspiel begonnen.
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