Der 1. Mai in Bern +++ Linke Demo endet friedlich +++ Massnahmen-Gegner wurden weggewiesen und bleiben Bundesplatz fern +++
Für den Tag der Arbeit hatten ein Revolutionäres Bündnis sowie auch Skeptiker von Corona-Massnahmen zu Demonstrationen aufgerufen. Die Gewerkschaften hingegen setzten auf Standaktionen.
Das wichtigste in Kürze
In der Stadt Bern haben am Tag der Arbeit Linksautonome sowie Coronamassnahmegegner zu unbewilligten Demonstrationen aufgerufen.
Die Kundgebung der Linken wurde von der Polizei toleriert. Bis zu 500 Demonstrantinnen und Demonstranten trugen grossmehrheitlich Schutzmasken. Der Umzug verlief friedlich.
Die Corona-Skeptiker sind nur während einer kurzen Tanzeinlage in Erscheinung getreten. Sie trugen keine Masken und wurden von der Polizei weggewiesen.
Die Gewerkschaften dürften der Demonstration grösstenteils ferngeblieben sein. Sie setzten auf bewilligte, kleine Standaktionen statt auf einen Demozug.
Hier gehts zum Liveticker zu den Kundgebungen in den andern Schweizer Städten.
Mit einer kurzen Runde über das Bollwerk findet sich der Demoumzug vor der Reitschule ein und beginnt, sich aufzulösen. Obwohl der Aufruf zur Kundgebung von einer Randgruppe kam und der linke Mainstream einen niederschwelligen 1. Mai empfohlen hat, versammelte sich eine unerwartet grosse Menschenmenge vor dem Zytglogge. Am Ende waren es an die 500 Personen.
Die Aktion blieb friedlich. Die Polizei hat den Umzug eng begleitet, ist aber nicht eingeschritten, obwohl deutlich mehr als die laut Covid-Verordnung zugelassenen 100 Demoteilnehmende zusammengekommen sind. Dies dürfte auch damit zu erklären sein, dass sich die Aktivistinnen und Aktivisten streng an Maskenpflicht und Abstandsregeln gehalten haben.

Die antikapitalistische Demo zieht nun am Ausgehlokal Bierhübelivorbei die Neubrückstrasse herunter. Bis zu 500 Personen nehmen nun teil. Sie halten sich beinahe ausnahmslos an die von den Veranstaltenden empfohlene Maskenpflicht und mehr und weniger auch and die Abstandsregel. Kurz vor der Reitschule werden am Kopf des Umzugs Fackeln gezündet.

In der Zwischenzeit ist der Demonstrationszug der Linksautonomen im Berner Länggassquartier unterwegs. Die Kundgebung erntet von einigen Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers Applaus, die Polizei läuft einige hundert Meter vor dem Umzug her. Derweil regnet es beharrlich vor sich hin.

Der Bundesplatz ist wieder leer. Die Coronagegner, die sich eigentlich hier versammeln wollten, sind nirgends zu sehen. Stattdessen Geklapper von Kaffeetassen unter den Sonnenstoren der Restaurants und ein steter Landregen. Das Stillleben komplettiert ein verlassener, roter Stuhl mit einem einzelnen Absperrgitter.

Aus sicherer Entfernung schaut Sicherheitsdirektor Reto Nause zu.
Die linksautonomen Demonstrierenden versammeln sich auf dem Bundesplatz und tun mit Sprechgesängen und Transparenten vor dem Sitz des Bundesparlaments ihren Unmut kund. Auf einem Transparent steht etwa «kein Geld für Masken aber Boni für Bosse. Klassenkampf statt Applaus». Die Polizei gibt sich weiterhin zurückhaltend, hat aber Einsatzkräfte an allen Zugängen zum Platz stationiert.

Angeführt vom einem mit Lautsprecher versehenen Holzwagen machen sich die Zytglogge-Demonstrierenden bereit für einen Umzug. Eingetroffen sind rund 150 maskierte Aktivistinnen und Aktivisten. Auch die Polizei ist zugegen: Einige bewaffnete Einsatzkräfte beobachten das Geschehen von unter den nahen Lauben.

Der Demozug bewegt sich von Zytglogge Richtung Bärenplatz. Die Teilnehmenden sind friedlich und tragen Schutzmasken, sie tragen antikapitalistische Sprechgesänge vor.
Um 14 Uhr tauchen beim Baldachin einige Polizei-Grenadiere auf. Ein Einsatzfahrzeug mit Kameraaufbauten steht auf dem Bahnhofplatz. Unter den rund 20 Eingekreisten befindet sich auch der notorische Coronamassnahmengegner Stefan Theiler. Die Polizei macht Personenkontrollen. Erste Wegweisungen werden verfügt. Die Polizisten agieren ruhig. Ein kleines Mädchen findet dank einer Passantin und einem Grenadier seine Mutter wieder.

Am Zytglogge in der Berner Altstadt trudeln erste Demonstrierende mit Schildern und Antifa-Kapuzenpullis ein. Sie tragen Schutzmasken und stehen momentan noch etwas ratlos im Regen herum.
Eine linksautonome Gruppe hatte zur Kundgebung aufgerufen. Mit Verweis auf die Black-Lives-Matter-Demos vom vergangenen Jahr hatte sie festgehalten, dass im Freien Menschenansammlungen epidemiologisch weitgehend unbedenklich seien . Trotzdem mahnte sie Teilnehmende dazu, Maske zu tragen und Abstand zu halten.
Laut Aufruf wird im Namen derjenigen Arbeitenden demonstriert, die nicht zuhause arbeiten können und dem Coronavirus schutzlos ausgesetzt werden. Die Wirtschaft, so die Organisierenden der Demo, werde in den Covid-Massnahmen mit Samthandschuhen angefasst. Derweil würde die Gesundheit der Arbeitenden ignoriert.
Während am Berner Zytglogge von der Linksautonomen Demonstration noch nicht viel zu sehen ist, haben sich die Gegner der Corona-Massnahmen unter dem Baldachin beim Berner Bahnhof versammelt. Sie singen ein schüchternes Lied auf französisch. Etliche tragen keine Masken, einige tanzen. Die Polizei markiert Präsenz und kreist die Gruppe ein. Passanten schütteln den Kopf.
Vor dem Historischen Museum im Berner Kirchenfeldquartier hat die Mediengewerkschaft Syndicom ihren Stand aufgeschlagen. Dort sind nun einige Redaktorinnen und Redaktoren der bernischen Tageszeitungen der «Bund» und «Berner Zeitung» daran, Passantinnen und Passanten auf die anstehende Fusion ihrer Lokalredaktionen aufmerksam zu machen. «Leider konnten wir nur wenige Menschen ins Gespräch verwickeln», sagt ein Redaktor. Der Regen und auch der abgelegene Standort habe nicht gerade für viele Passanten gesorgt. Doch wenn ein Gespräch zustande gekommen sei, dann sei das Interesse und auch Verständnis für ihr Anliegen sehr gross gewesen. Man wolle einerseits darauf aufmerksam machen, dass Medienvielfalt verloren gehe. Zudem fordere man von der Tamedia-Chefetage Transparenz bei der Umsetzung der Zusammenlegung. Bis zu 20 Vollzeitstellen sollen gestrichen werden, was knapp ein Drittel der aktuellen Redaktionsbelegschaft entspricht.

Am Bundesplatz wechselt die Szenerie. Während die Märitleute aufräumen, fährt die Polizei mit ihren Einsatzfahrzeugen vor. Ein Blumenverkäufer meint: «Dieser Aufwand ist schon riesig.» Und mit Anspielung auf den monströsen blauen Wasserwerfer witzelt er, der könne nun seine Blumen giessen. Offenbar ist die Polizei aber auch nicht in derselben Weise alarmiert wie an früheren Demos. Sie seien heute später dran als auch schon, meint der Blumenverkäufer.

An der Mittelstrasse in der Länggasse sammelt das Grüne Bündnis Unterschriften für ein politisches Anliegen. Vor Ort ist auch Gemeinderätin Franziska Teuscher. Sie schaut den Kundgebungen momentan gelassen entgegen. «Ich erwarte, dass sie im Rahmen des Möglichen ablaufen.» Einzig das Zusammentreffen zweier Kundgebungen findet sie ungünstig. Dass dieses Jahr keine traditionelle 1. Mai-Demo der Gewerkschaften möglich ist, bedauert sie. Die Umstände verhinderten dies. Es sei aber auch okay, nun eben in den Quartieren präsent zu sein. Einzig das Zusammengehörigkeitsgefühl, das komme so natürlich zu kurz.

In Basel sind laut unserem Reporter vor Ort mittlerweile rund 2000 Menschen bei der Kundgebung zum Tag der Arbeit unterwegs. Die Demonstranten haben ein Banner an die Fassade des Basler Rathauses gehängt und eine Rauchbombe angezündet. Darauf ist zu lesen: «Wir tragen eure Krise nicht! Nicht auf den Staat vertrauen sondern in die eigenen Kräfte.» Hier gehts zum Liveticker.
Am Zytglogge, dem Versammlungsort der Linksautonomen-Demo, ist von bevorstehenden Protesten noch nichts zu merken: Keine der Aktivistinnen oder Aktivisten sind zu früh eingetroffen, auch die Polizei, die von den beiden unbewilligten Kundgebungen Kenntnis hat, markiert keine Präsenz. Stattdessen präsentiert sich am Kornhausplatz eine typisch-samstägliche Szene vorbeieilender Einkaufsbummler und Kaffeekränzchenbesuchender. Am Casinoplatz ist zu sehen, wie der Grossteil der bernischen Linken den Tag der Arbeit begeht: Ein kleiner Stand des Berner Frauenstreikkomitees ist hier aufgestellt. Linke Gruppen hatten dazu aufgerufen, den 1. Mai mit dezentralen Aktionen statt mit dem traditionellen Umzug zu feiern.

Die Gewerkschaften im Kanton Bern begehen den heutigen Tag der Arbeit wegen der Pandemie in kleinem Rahmen. Anders als vor einem Jahr gibt es in den grösseren Städten aber dennoch einige Aktivitäten.
In Bern sind Gewerkschaften und linke Parteien mit Ständen präsent, sowohl in der Innenstadt als auch in den Quartieren. «So können sich die Menschen in Zeiten des pandemiebedingten Stillstandes von Standort zu Standort bewegen», teilte der Gewerkschaftsbund der Stadt Bern und Umgebung mit. Der Stadtspaziergang sei die Alternative zum traditionellen Umzug.
Ungeachtet der Pandemie bestünden viele gesellschaftliche Probleme weiter, betonte der SGB. Lösungen brauche es etwa für die Sicherung der Sozialwerke, für den ökosozialen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft sowie für die Entwicklung eines starken Service public.
Feiern in Biel und Thun
Eine kleine 1.-Mai-Feier steht in Biel auf dem Programm. Als Rednerinnen auf dem Zentralplatz werden die Grünen-Nationalrätin Regula Rytz und die Bieler PSR-Gemeinderätin Glenda Gonzalez Bassi erwartet.
Auch auf dem Rathausplatz in Thun dürfen maximal 100 Personen an der geplanten 1.-Mai-Feier teilnehmen. Es gilt Sitz- und Maskenpflicht, wie die Organisatoren im Vorfeld betonten. Die Feier steht unter dem Motto «Krise bekämpfen: Mindestlöhne statt Applaus!» (sda)
Die ideologische Schnittmenge zwischen Corona-Skeptikern und Linksautonomen dürfte klein sein. Aber es gibt sie: Beide Lager sehen es als ihr Recht, ihre Anliegen auf die Strasse zu tragen. So auch am 1. Mai in Bern. Hier gehts zum Artikel von Mitte Woche.
Die Linksautonomen riefen dazu auf, die Corona-Schutzbestimmungen zu respektieren. Die Demonstrierenden sollten Schutzmaske tragen und Abstand halten. So sei «die Ansteckungsgefahr geringer als bei der täglichen Arbeit auf dem Bau, in der Schule, in den Altersheimen, im öffentlichen Verkehr und zuhause».
Die Kundgebung ist nicht bewilligt. Weil in den sozialen Netzwerken auch Aufrufe zu einer Demo gegen die Corona-Massnahmen kursierten, äusserte sich der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) im Vorfeld besorgt.
Wie das Polizei-Dispositiv aussehen wird, liess er offen. Nause sagte lediglich, der Polizei stehe «ein breites Instrumentarium» zur Verfügung.
cab, mck, spr
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