
Die Berner und Bernerinnen wollen am Sonntag nicht häufiger shoppen. Sie haben eine Ausdehnung der Sonntagsverkäufe im Kanton von zwei auf vier abgelehnt. Das Zeichen ist deutlich. Denn eigentlich ist es bei der Abstimmung um wenig gegangen – im nationalen Parlament wird derzeit über acht zusätzliche Sonntagsverkäufe diskutiert. Wenn nun in Bern nicht einmal deren zwei eine Chance haben, dürfte das als Signal auch ins Bundeshaus ausstrahlen.
Bisher hatten Liberalisierungen der Ladenöffnungszeiten im Kanton Bern jeweils gute Chancen, etwa für Läden im Bahnhof und Tankstellenshops auf Autobahnen. Vor allem im urbanen linken Zentrum des Kantons wollten Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auch ausserhalb der geltenden Ladenöffnungszeiten zumindest das Nötigste einkaufen können. Als Vorbild galten ihnen die pulsierenden Grossstädte im Ausland, die nie ruhten.
Aber die Corona-Krise hat den Alltag stark verändert – und das könnte die Abstimmung beeinflusst haben. Auch die Älteren haben gelernt, online einzukaufen. Dank Homeoffice kann man zwischendurch im Quartierladen, auf dem Bauernhof oder im Supermarkt einkaufen, was man nicht bestellt. Und weil man weder in den Ausgang noch ins Büro geht, braucht man weniger neue Kleider.
Stattdessen hat man neue Hobbys: in der Küche, im Garten, im nahen Wald. Netflix ist nur eine von mehreren Streamingplattformen, die man regelmässig besucht, und sogar das Kleinkunstprogramm des lokalen Theaters kann man sich auf dem heimischen Sofa im Fernsehen anschauen.
Da man weniger unterwegs ist, sieht man weniger Dinge, die man kaufen möchte, ohne sie zu brauchen. Und wo früher die Beschleunigung unseres Alltags als Ideal galt, hat im Lockdown die Entschleunigung neue Liebhaber gewonnen.
Und schliesslich dürften sich beim Ausfüllen des Stimmzettels etliche Stimmende daran erinnert haben, wie sie vor einem Jahr auf dem Balkon standen und jenen Menschen applaudierten, die trotz Lockdown weiter in den Supermärkten und Apotheken arbeiteten und dem Risiko einer Corona-Infektion täglich ausgesetzt waren. Ihnen dankten sie nun ein zweites Mal.
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Kommentar zu den Sonntagsverkäufen – Corona dämpft die Shoppinglust
Zusätzliche Sonntagsverkäufe sind für die Mehrheit des bernischen Stimmvolks kein dringendes Bedürfnis. Vielleicht auch, weil es den Onlinehandel entdeckt hat.