«Chlini Truckli, alli alli gliich!»
«Wilde Plakate» gegen Harmos,«Bund» vom 21. AugustDie Argumente des Nein-Komitees zu Harmos sind für mich nicht nachvollziehbar. Meine Kinder haben jedenfalls viel mehr Freunde, seit sie in den Kindergarten dürfen, und Grund zum Lachen. Bei ihren fremdsprachigen Kameraden staune ich, wie rasch diese Deutsch lernen, wenn sie nur genügend Kontakt mit deutschsprachigen Kindern haben. Harmos ist eine der besten Massnahmen für die Integration von Einwanderern und für einen guten Schulunterricht für alle. Wer Kindern einen Gefallen machen will, stimmt Harmos am 27. September zu. Harald Jenk,LiebefeldGrossrat (SP)Bedrohte EntscheidungsfreiheitViele kluge Eltern entschliessen sich, ihr Vierjähriges in den Kindergarten zu schicken. Sie kennen ihr Kind, wollen sein Bestes und entscheiden richtig. Andere, ebenso kluge, Eltern entscheiden sich, ihr Vierjähriges noch zu Hause zu betreuen. Sie wissen, dass sie die dazu nötige Zeit, Kraft und Willen aufbringen, wollen ebenfalls das Beste für ihr Kind und entscheiden auch richtig. Falsch ist es hingegen, obigen sehr wichtigen Entscheid an eine anonyme Harmos-Instanz zu delegieren. Die arrogant behauptet, besser als die Eltern entscheiden zu können. Die ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage alle Vierjährigen obligatorisch einschulen will. Am 27. September werden wir Berner über Harmos abstimmen. Ein «Nein» bewirkt, dass der Kindergarten freiwillig und die Entscheidungsfreiheit bei den Eltern bleibt.Veronika Mathys,BüetigenKeine Nebenwirkungen Die Gegner der interkantonalen Vereinbarung zur Harmonisierung der Schulsysteme, kurz Harmos, tun so, als würde bei Annahme der Vorlage das bernische Bildungssystem kaputt gehen. Dies wird sicher nicht passieren. Ich finde es auch schade, dass sie mit weinenden Kindern Stimmung gegen ein gutes Projekt machen.Die Kantone haben es geschafft, sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, damit unser Bildungssystem etwas einheitlicher wird. Oft wird argumentiert, dass vierjährige Kinder zwingend in den Kindergarten müssen. Das ist falsch. Denn wir sprechen von fünfjährigen Kindern, die grundsätzlich zwei Jahre in den Kindergarten gehen sollen. Bereits heute gehen über 80 Prozent der Kinder freiwillig zwei Jahre in den Kindergarten. Wenn aber ein Kind in Zukunft noch nicht bereit ist für den Kindergarten, werden die Eltern mitbestimmen können wie bis anhin. Flexible Lösungen sind auf Wunsch der Eltern weiterhin möglich. Die Kantonspolizei wird sicher keine Kinder in Handschellen per Polizeiauto in den Kindergarten zwingen. Harmos ist eine sinnvolle Vorlage, ich werde überzeugt Ja stimmen. Adrian Wüthrich,HuttwilGemeinderat (SP)Mit dicken Tränen gegen HarmosDas überparteiliche Komitee «Nein zu Harmos» braucht das Bild eines kleinen, weinenden und zwängenden Mädchens, um seine Sichtweise zum Gesamtprojekt dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen. Weinen, schreien, losheulen, zwängen – das sind kleinkindliche Argumente, um seinen Willen gegenüber Erwachsenen durchzusetzen. Die im Bericht der Medienkonferenz aufgeführten Argumente sind einzig auf den frühen «Schulbeginn» (elf obligatorische Schuljahre, davon zwei Kindergartenjahre) ausgerichtet und zeigen eine erschreckend negative, destruktive Sichtweise. Falls der bisherige Besuch unserer Kinder im Kindergarten wirklich dieser Beschreibung entspräche, wäre es bislang direkt ein Verbrechen gewesen, all unsere Kinder diesem vom Komitee dargestellten Horror auszusetzen. Welche Hexen von KindergärtnerInnen die Seelen der Kleinen da vergiften! Pfui! Nebenbei werden mit diesen Argumenten alle KindergärtnerInnen desavouiert . . . Warum aber verbringen so viele Kinder eine glückliche, unbeschwerte Kindergartenzeit? Da ist viel Zeit zum Spielen, Bauen, Zeichnen, Malen, Basteln, Geschichten hören, Verschen lernen, Gefühle erkennen und ausdrücken lernen und und und . . .Die Kinder lernen zusammen mit Gleichaltrigen altersgemäss und durch ausgebildete PädagogInnen angeleitet alle später benötigten Basisfunktionen: Sie lernen aufeinander Rücksicht zu nehmen, sich einzuordnen, das Miteinander (und nicht Gegeneinander); ihre Persönlichkeit wird gestärkt, ihre Wahrnehmungsfähigkeit, ihre Sprache wird weiterentwickelt, eventuell vorhandene Defizite werden früh erkannt und können Fachpersonen zur Behebung weitergeleitet werden. Als Trost für die Ablehnung von Harmos bietet das Komitee ein Eselreiten für die Kinder an. Wird dabei nicht nur ein Stück Kindheit, sondern auch die ganze Idee von Harmos auf den Esel gesetzt? Beat Nyffeler,HeimbergBonsai im KindergartenErstaunlich, wie sich das Kind und die Psychologie des Kindes je nach gerade herrschender Ideologie verändern!Vor 30 Jahren sollte man Babys auf den Bauch legen. Ein paar Jährchen später stellte «man» fest, dass Babys, die auf dem Rücken schlafen, seltener am plötzlichen Kindstod sterben. Vor 25 Jahren befand «man», es sei eine ungesunde Symbiose, wenn meine Tochter bei mir im Bett schlafe. Heute schreibt «man», Kinder würden schneller selbstständig durch«Co-Sleeping» . . . Vor 50 Jahren durfte ich nicht von der ersten in die dritte Klasse wechseln, weil nur der Intellekt so weit sei, aber hochbegabte Kinder emotionell auf der gleichen Stufe seien wie alle andern. Zehn Jahre später durfte ich die Matur nicht früher als die Gleichaltrigen machen, denn das Gesetz erlaubt das nur an Privatschulen! Nochmals zehn Jahre später durfte meine Tochter nicht mit sechseinhalb eingeschult werden.Als ich in den 80er-Jahren für Blockzeiten kämpfte (damit ich als Alleinerziehende überhaupt arbeiten konnte), wurde mir entgegengehalten, siebenjährige Kinder wären überfordert, wenn sie vier Stunden in der Schule sitzen müssen.Mein Argument, man könnte doch die Unterstufe so gestalten, dass die ABC-Schützen eben nicht nur sitzen müssten, wurde mit einer Handbewegung weggewischt . . . Und was schlägt «man» 20 Jahre später vor? Jetzt sind plötzlich sogar Vierjährige nicht überfordert mit Früheinschulung und Blockzeiten. Natürlich alles im Namen des Fortschritts – dessen Richtung seit Jahrhunderten dieselben bestimmen. «Sozial benachteiligten Familien» helfen dazu Berufene (nach welchen Kriterien?), ihr Kind zu fördern. SpielgruppenleiterInnen müssen mit Zweijährigen «Hochdeutsch» reden, worauf diese auf dem Spielplatz keine gemeinsame Sprache mit andern Kindern haben und zu Hause bis zu fünf Sprachen bewältigen müssen. Alles zwecks Förderung! Wo bleibt da der gesunde Menschenverstand? Bei all diesen sogenannten Massnahmen zur Förderung der Entwicklung und Chancengleichheit geht es um Bonsai-Kinder, oder – um mit Bob Dylan zu sprechen – «chlini Truckli, alli alli gliich».Schliesslich braucht die Wirtschaft funktionierende, schon früh auf ihre Bedürfnisse zurechtgestutzte Zahnrädchen. Margrit Pfister,Bern>
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