Bulgaren fordern ein «neues politisches System»
Es waren die grössten Proteste seit 16 Jahren: In Bulgarien gingen Zehntausende auf die Strasse, um einen Systemwechsel zu erzwingen. Der Präsident versprach, Gespräche aufzunehmen.

Bei den grössten Massenprotesten seit der politischen und finanziellen Krise 1997 haben Zehntausende Bulgaren eine grundlegende Systemreform verlangt. Im ganzen Land forderten am Sonntag Demonstranten Wahlen zu einer verfassunggebenden Grossen Volksversammlung.
Sie verlangten ein «neues politisches System» mit Quoten für Bürgervertreter und ein Mehrheitswahlrecht, das den Bürgern mehr Mitbestimmung sichert.
Staatspräsident Rossen Plewneliew sicherte den Demonstranten einen Dialog bei der Lösung der politischen Krise in dem EU-Land zu. «Wir werden noch in der kommenden Woche zusammenarbeiten», sagte Plewneliew zu mehrere Hundert Aktivisten vor dem Energieministerium in Sofia. Sie protestierten ebenso wie in der vergangenen Woche gegen das «Monopol» ausländischer Stromanbieter.
Hauptstadt praktisch blockiert
Erstmals gab es vor der Zentralbank in Sofia auch einen Protest gegen die «Willkür der Banken», die in Bulgarien vor allem Geldinstituten im Ausland gehören. Den Protesten schloss sich auch die nationalistische Partei WMRO an. Zum ersten Mal demonstrierten in Sofia Studenten und Roma.
Die Hauptstadt war von den vielen Protesten und einer Grosskundgebung vor dem Parlament praktisch blockiert. Über das Internet organisierte Aktivisten sperrten wieder die wichtigste Kreuzung an der Adlerbrücke. Kinder spielten Fussball auf den autofreien Fahrbahnen.
Im Unterschied zu den Protesten von 1997 richten sich die Massenaktionen nicht gegen die sozialistische Nachfolgepartei der einstigen Kommunisten, sondern gegen alle Regierungsparteien seit der politischen Wende im Jahre 1989.
Gegen «ausländische Monopole»
Die Menschen riefen Sprüche gegen die «Oligarchie des Übergangs», die sie für ihre Armut verantwortlich machen. Vielerorts lehnten die Demonstranten die vorgesehene vorzeitige Auflösung des Parlaments ab. Die Volksversammlung sollte dringende Probleme noch vor den Neuwahlen anpacken, meinten sie.
Zehntausende Bulgaren protestierten erneut in mehreren Städten gegen die Armut und die ausländischen «Monopole». In einer gross angelegten Aktion in der Schwarzmeerstadt Warna richtete sich die Wut wieder gegen den regionalen Stromanbieter Energo-Pro aus Tschechien.
Nach dem Rücktritt der bürgerlichen Regierung in der vergangenen Woche auf Druck von Strassenprotesten soll es bis Mitte Mai Neuwahlen geben.
Staatspräsident Plewneliew hatte bereits angekündet, dass er eine Interimsregierung bilden wird, sollte keine der drei grössten Parteien ein neues Kabinett formieren können. Die Proteste sollen auch am Montag fortgesetzt werden.
SDA/fko
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