Buddhist am Bass
Im April konnte er seinen 75. Geburtstag feiern: Nun tritt der legendäre Bassist Buster Williams an den Langnau Jazz Nights auf.

Soll die Kunst danach streben, der Natur so nahe wie möglich zu kommen? Oder soll die Kunst ihre Künstlichkeit ganz bewusst betonen? Heutzutage ist die Mehrheit der Kontrabassisten im Jazz daran interessiert, einen möglichst natürlichen Sound zu kreieren – also einen Sound, der nach grosser und edler Holzkiste klingt. Ein Bassist wie Buster Williams ist da als Rollenmodell unten durch. Vom Berner Bass-Doyen Bänz Oester wird Williams zur Bäh-Kategorie der «Kaugummi-Bassisten» gezählt.
Tatsächlich zieht Williams die Töne gerne in die Länge, und er verformt sie auch durch allerlei kurze und lange Glissandi (dies ist nur möglich durch eine spezifische Art der Verstärkung). So bekommt sein Spiel zuweilen etwas Waberndes. Williams kann allerdings auch einen extrem mitreissenden Swing-Drive entwickeln. Und in seinen Soli glänzt er nicht zuletzt durch überraschende Intervallsprünge und atemberaubende Zwischenspurts. Kommt hinzu, dass Williams nicht einfach Dienst nach Vorschrift leistet, sondern grossen Wert auf die spontane Interaktion mit seinen Mitmusikern legt.
Science-Fiction-Jazz
Williams mag einen «Kaugummi-Sound» haben – ein verdammt guter Bassist ist er trotzdem. Den Pianisten Herbie Hancock hat er 1972 mit einem Solo sogar zum Buddhismus bekehrt. Hancock war damals mit seinem elektro-akustischen Mwandishi-Sextett unterwegs: Diese bahnbrechende und bewusstseinserweiternde Band spielte eine afrofuturistische Science-Fiction-Variante von Avantgarde-Jazz.
Bei einem Auftritt in Seattle spielte Williams ein langes unbegleitetes Intro zum Stück «Riot». «Was er spielte, hatte ich noch nie von jemandem gehört. Es war reine Schönheit. Es war magisch. Die Leute flippten aus», berichtete Hancock im Nachhinein. Und weil Williams kurze Zeit vor diesem Konzert zum Nichiren-Buddhismus übergetreten war, machte auch Hancock diesen Schritt. Der dritte berühmte Anhänger dieser Buddhismus-Richtung unter den Koryphäen des Jazz ist der Saxofonist Wayne Shorter.
Begeisterte Zwischenrufe
Mit Hancock und Shorter plus Al Foster (Schlagzeug) und Shunzo Ohno (Trompete) nahm Williams 1989 mit «Something More» ein unprätentiöses und melodiöses Postbop-Album auf, für das er die meisten Stücke selber komponierte. Dieses Album wurde sozusagen zur Blaupause für alle nachfolgenden Bands, mit denen Williams als Bandleader ins Studio und auf Tournee ging. Zu diesen Bands gehören in der Regel jüngere Musiker, als deren «nurturer» (Ernährer) sich Williams versteht. Für Williams ist das Prinzip der Mentorenschaft eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren der Jazzszene. Leider gebe es zu viele junge Musiker, die sich keine Mentoren suchten, beklagt Williams in Interviews immer wieder.
Vom Pianisten George Colligan wissen wir, dass Williams auf besonders extravagante Einfälle seiner Bandmitglieder mit begeisterten Zwischenrufen zu reagieren pflegt. Mal schauen, wie viele dieser Zwischenrufe ihm der Tenorsaxofonist Piero Odorici, der Pianist Nico Menci und der Schlagzeuger Kush Abadey beim Auftritt an den Langnau Jazz Nights entlocken werden. Beim 1962 geborenen Odorici handelt es sich jedenfalls um einen zupackend-expressiven Saxofonisten, der in seiner Heimat Italien bereits mit etlichen Cats aus Übersee unterwegs war (u. a. George Cables, Jimmy Cobb und Victor Lewis).
Wie der Vater, so der Sohn
Williams wichtigster Mentor war sein Vater, der selbst als Jazzbassist tätig war. Nach missglückten Startversuchen als Pianist und Schlagzeuger war es eine Aufnahme von Oscar Pettiford, die dazu führte, dass der Junior den Senior um Unterricht bat. Dieser Unterricht war gnadenlos streng, aber zielführend. Mit 17 hatte Williams seinen ersten professionellen Gig mit dem Saxofonisten Jimmy Heath. Mit 19, also 1961, nahm er an der Einspielung des famosen Albums «Boss Tenors» teil, auf dem sich die Sax-Haudegen Gene Ammons und Sonny Stitt freundschaftlich duellierten (damals hatte Williams übrigens noch keinen «Kaugummi-Sound»).
In den 1960er-Jahren war Williams ein Liebling der Sängerinnen: Von Dakota Stanton wechselte er zu Betty Carter, von Carter zu Sarah Vaughan und von Vaughan zu Nancy Wilson. Nach einem Intermezzo als «Aushilfsbassist» bei Miles Davis und einem Ausflug nach Los Angeles zu den Jazz Crusaders wurde Williams 1969 von Hancock engagiert und blieb bis 1972 in dessen Band. Aus dieser Zeit stammen die Alben «The Prisoner», «Fat Alberta Rotunda», «Mwandishi», «Crossings» und «Sextant». Damals griff Williams gelegentlich auch zum Elektrobass, konnte sich aber nie richtig anfreunden mit diesem Instrument.
Nach der Hancock-Phase kehrte Williams zum akustischen Jazz zurück. 1975 nahm er mit der Pianistin Mary Lou Williams die wunderbare Trio-Aufnahme «Free Spirits» auf. 1978 und 1979 ging ein aus Williams, Kenny Barron (Piano) und Billy Hart (Schlagzeug) bestehendes Triumvirat mit dem «Unsung Hero» Buck Hill (Tenorsax) ins Studio: Mit «This is Buck Hill» und «Scope» entstanden zwei Alben, auf denen die Post abgeht. In den 1980er-Jahren waren Barron, Williams, der Schlagzeuger Ben Riley und der Tenorsaxofonist Charlie Rose als Monk-Tribute-Band Sphere aktiv und hinterliessen der Nachwelt ein halbes Dutzend Alben. Williams konnte also auf einen enorm reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen, als er sich entschloss, selbst als Bandleader ins Rampenlicht zu treten.
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