«Bis diese Männerwelt das endlich begreift»
Die Frauenfrage im Bundesrat soll vors Volk kommen. Die Nichtwahl von Isabelle Moret hat viele wütend gemacht.

In den Tiefen des Internetauftritts der eidgenössischen Verwaltung gibt es eine Sektion mit dem Titel: «Frauen im Bundesrat seit 1984». Wenn man die Website geschickt auf dem Bildschirm justiert, muss man nicht einmal scrollen, um alle Bundesrätinnen im Blick zu haben.
Es sind sieben. Eine von ihnen musste zurücktreten, eine andere wurde abgewählt, eine dritte Verräterin geschimpft. Bleiben vier.
Männer im Bundesrat gab es 109, seit diesem Mittwoch 110. «Es ist ein Trauerspiel», sagt Maya Graf, Nationalrätin der Grünen und Co-Präsidentin der Frauendachorganisation Alliance F, «bei Frauen gibt es immer tausend Gründe, sie nicht zu wählen.» Graf hat bereits im März eine parlamentarische Initiative eingereicht, um die Vertretung der Frauen im höchsten politischen Amt der Schweiz per Verfassung zu regeln. Heute heisst es dort, dass die Landesgegenden und Sprachregionen im Bundesrat «angemessen vertreten» sein müssen. Graf möchte diesen Absatz mit einem Wort ergänzen: Auch die Geschlechter sollen künftig angemessen im Bundesrat vertreten sein.
«Eine Demütigung»
Seit 1989 gab es unzählige Vorstösse, die Ähnliches verlangten. Sie blieben alle chancenlos. Bei der Initiative von Graf scheint das zumindest auf den ersten Blick anders zu sein. Die Art und Weise, wie Isabelle Moret diesen Mittwoch in der Bundesversammlung scheiterte, hat viele wütend gemacht. «Nach so einem Debakel scheint es mir tatsächlich sehr angemessen, wenn die Geschlechter künftig angemessen im Bundesrat vertreten sind», sagt Doris Fiala, Präsidentin der FDP-Frauen. Für Rosmarie Quadranti, Fraktionschefin der BDP, ist es einfach nur tragisch, dass es am Schluss eine gesetzliche Regelung brauche, «bis diese Männerwelt hier drin endlich begreift, dass gemischte Gremien viel erfolgreicher sind». Sie unterstützt den Vorstoss von Graf; CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer ebenso.
«Was wir diese Woche erlebt haben, war eine Demütigung für alle Frauen», sagt Regula Rytz, Präsidentin der Grünen. 52 Prozent der Schweizer Bevölkerung seien Frauen – und doch passiere weder in der Politik noch in der Wirtschaft irgendetwas, um den historischen Rückstand der Frauen in der Gesellschaft aufzuholen. «Wir werden systematisch an den Rand gedrängt.»
«Was wir diese Woche erlebt haben, war eine Demütigung für alle Frauen»
Die parlamentarische Initiative von Graf wird im ersten Quartal 2018 behandelt. Sollte die Verfassungsänderung vom Parlament angenommen werden, kommt es zur Volksabstimmung. Parteien von links bis rechts müssten sich zur Frage positionieren, die Debatte würde noch öffentlicher geführt. Das soll auf jeden Fall geschehen, finden Rytz und Graf. «Wenn mein Vorstoss im Parlament nicht durchkommt, braucht es eine Volksinitiative», sagt Graf. Die Bevölkerung müsse dann regeln, was die Politik offensichtlich nicht könne.
Vor einer solchen Volksabstimmung fürchten sich Parlamentarierinnen wie etwa Christa Markwalder, Nationalrätin der FDP. «Man stelle sich nur vor, wenn diese Vorlage hochkant abgelehnt würde.» Für Graf ist das kein Argument. Die Vertretung von Frauen habe gerade in der Regierung eine höchst symbolische Komponente. «Wenn wir es im Bundesrat nicht schaffen, wie sollen wir es dann überall sonst schaffen?»
SP erwägt Quote
Auch GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy sagt, wenn es keine angemessene Frauenvertretung im Bundesrat gebe, müsse die Frage vors Volk. «Es würde mich aber beelenden, wenn wir in der heutigen Zeit noch eine Initiative lancieren müssten für ein solch selbstverständliches Anliegen.» Die Co-Präsidentin von Alliance F plädiert deshalb dafür, zuerst eine breite öffentliche Debatte zu führen, denn letztlich müsse ein Umdenken stattfinden. Sie sieht vorab die Männer in der Pflicht. «Sie müssen ihre Verunsicherung überwinden, dass Frauen mitregieren wollen.»
Über eine viel drastischere Quote befindet bald die SP Schweiz. Die SP-Frauen haben ein Positionspapier verabschiedet, in dem sie eine Quote für alle politischen Organe der Schweiz fordern. 40 Prozent Frauen in Ständerat, Nationalrat, Bundesrat, Bundesgericht und Verwaltung. «Parlamente werden von älteren Herren dominiert», heisst es im Papier, «es ist an uns allen, Frauen für Politik zu sensibilisieren und zu motivieren.» Das Papier wird an der nächsten Delegiertenversammlung behandelt, es hat gute Chancen, offizielle Parteihaltung zu werden. Für SP-Männer wird es schwierig, sich dagegenzustellen; schwieriger, als in einer geheimen Wahl den 110. Mann in die Regierung zu wählen.
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