Reise in die LyngenalpenBiken am Tor zur Arktis
Tromsø ist nicht nur Startort vieler Polarexpeditionen, sondern auch Ausgangspunkt für arktische Abenteuer auf zwei Rädern: etwa für Touren in den Lyngenalpen.

Imposant wie unsere Alpengipfel ragen östlich von Tromsø die Lyngenalpen aus stahlblauen Fjorden. Dabei ist die höchste Spitze nur 1833 Meter hoch. «Viele Gipfel lassen sich mit dem Bike in zwei Stunden ab Meereshöhe erreichen», sagt Georg Sichelschmidt, Tourguide und bis vor kurzem Tourismuschef von Visit Lyngenfjord: «Hochgebirgsfeeling und Gipfelglück ganz ohne Höhenproblematik!»
Der griffige, leicht federnde Boden ist zum Biken ein Traum.
Den Deutschen zog die Faszination für dramatische Fjordlandschaften in den hohen Norden. Er will uns, einer Gruppe alpenerprobter Bikefans, sein Mountainbike-Eldorado zeigen. Jetzt, im zauberhaften Spätsommerlicht, sei es am schönsten.

Den Auftakt macht der Skitourenberg Gjøvarden. Vom 23 km langen Reisafjord strampeln wir bergwärts und passieren bei 300 m ü. M. die Baumgrenze. Der Trail schlängelt sich durch orangeleuchtendes Heidekraut wie im herbstlichen Wallis. Moose und Flechten machen sich breit, Lapplandrosen erinnern daran, dass wir uns in arktischen Breiten befinden.
Durch ein oranges Heidemeer
Nach zwei Stunden erreichen wir den 532 m hohen Gipfel. Welch atemberaubender Blick über Berge und Fjorde bis zum Meer! Gletscher reichen hinunter bis zu Fjorden, die sich wie Arme um die Berge legen. Die Abfahrt auf dem torfweichen Trail ist wie surfen durch ein oranges Heidemeer. Der griffige, leicht federnde Boden ist zum Biken ein Traum.

«In den Lyngenalpen gibt es unzählige Trails. Die Attraktivsten haben wir auf Karte und GPS fürs Biken zugänglich gemacht», erzählt Sichelschmidt. Einer davon ist der Zickzacktrail im südlichen Kafjord-Tal. Dort biken wir auf einer himmelnahen Hochebene an Rentierherden der Samen vorbei, danach nur noch Einsamkeit und Stille.
Obwohl erst Mittag, steht die Sonne tief und wirft lange Schatten. Ganz wie im goldenen Licht eines Spätnachmittags in den Alpen. Nur dass hier dieser Moment scheinbar ewig dauert – bis plötzlich kühler Wind aufkommt und die Graslandschaft zur Steinwüste wird, in der nichts wächst ausser Flechten und Moos. Als wolle der Szenenwechsel uns aus der Trance holen und Konzentration für den Downhill fordern: 700 sensationelle Tiefenmeter mit schier unzähligen Spitzkehren machen dem Namen Zickzacktrail alle Ehre.

Nach der Abgeschiedenheit des Kafjord-Tals lernen wir Skibotn kennen, das Bikemekka der Lyngenalpen. Hier gibt es eine lokale Bike-Community und die meisten Trails der Region. Kristoffer Bruvold, ein Bikeguide, zeigt uns seine Lieblingstour. Der Wasserfalltrail schlängelt sich am bewaldeten Berg aufwärts, führt über Wurzeln und Felsplatten und fordert Kondition.
Rauschen uns die Ohren vor Anstrengung oder kündigt sich der Wasserfall an? Es ist der Wildbach, der den Fall speist. Wo wir aus dem Wald biken, mündet das aufmüpfige Flüsslein in flache Becken, die idyllisch auf einer Felsplatte liegen. Sachte und brav rinnt hier sein Wasser. Gerade so, als müsse es sich ausruhen vor seinem Fall über die breite Felskante in die Tiefe. Im Hintergrund Gletscher, in der Ferne ein weites Flussdelta. Grosses Kino.
Tour zu Norwegens Matterhorn
Später zeigt uns Bruvold eine Überraschungstour im Signal-Tal. Es nieselt, als wir losbiken. Der Pfad führt im lichten Birkenwald bergan und auf schmalen Bretterstegen über ein Moor. Als der Wald sich öffnet, trauen wir unseren Augen nicht: Da steht ein markanter, dreieckiger Berg wie ein Abbild des Matterhorns. Der Guide grinst: «Der Otertinden, das Matterhorn Norwegens! Dahinter nicht Italien, sondern Finnland.»
Trailsurfen auf einem Pfad, so schmal, dass das Pedal fast den Heideteppich streift.
Wir lassen den seltsam vertrauten Gipfel rechts liegen und gewinnen an Höhe. Bissiger Wind fegt über die baumlose Bergflanke. Es beginnt zu schneien, wir beschliessen umzudrehen. Doch statt loszufahren, setzt sich unser Bikeguide ins Heidekraut, pflückt Heidelbeeren und schiebt sie sich in den Mund. «Aus Armut waren wir Norweger von jeher Selbstversorger», sagt er, während er Beeren schnabuliert. «Wir fischen, jagen und sammeln Beeren. Das ist in unserer Tradition verankert, obwohl wir längst alles im Supermarkt bekommen.»

Noch mehr als Heidelbeeren, sagt unser Guide, liebe er Moltebeeren, das Gold der Arktis. «Wir Norweger sind verrückt nach diesen süss-herben Beeren, die wie bernsteinfarbene Sonnen im Heidekraut leuchten. Wir frieren sie ein und geniessen sie bei Festmahlen zum Nachtisch.» Unser Dessert heute ist ebenfalls vom Feinsten: Trailsurfen mit Fjordpanorama auf einem Pfad, so schmal, dass das Pedal fast den Heideteppich streift.
Schliesslich serviert uns Georg Sichelschmidt die letzte Perle unseres Bikeabenteuers: eine bezaubernde Kurztour auf der Halbinsel Nord Lenangsåsen im Norden der Lyngenalpen. Nach kurzem Anstieg schlängelt sich ein verspielter Trail über einen langgezogenen Bergrücken. Jenseits der Fjorde leuchten Schneegipfel.
Am Ende des Bergplateaus surfen wir im goldgelben Birkenwald meerwärts. Die Sonne gibt für den Schlussakkord nochmals alles und lässt den Heideteppich pink und rot erglühen. Bikeglück pur weit nördlich des Polarkreises, am atemberaubenden Ende der Welt.
Die Reise wurde unterstützt von Visit Lyngenfjord.

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