Bienensterben verunsichert Imker
Für die bernischen Imker wird der Honig schier zur Nebensache. In den Vordergrund rückt die Frage, ob und wie die Bienen überhaupt überleben können: Das Massensterben im Bienenhaus ist dramatisch.

Die Sonne scheint, die Flora blüht, die Bienen summen: So sehen unbedarfte Laien die wiederkehrenden Freuden des Frühlings – und irren sich dabei vor allem in Sachen Bienen. Der Frühling ist für die Imker nämlich die Zeit für die bittere Bilanz über Tod und Verderben. Zum vierten Mal in Folge legen sie im Frühling Zahlen zum winterlichen Massensterben in ihren Bienenhäusern vor. Im Winter 2009/2010 sind laut den Erhebungen der Imker schweizweit gegen 30 Prozent aller Bienenvölker eingegangen oder so geschwächt worden, dass sie nicht überleben werden. Der Frühling 2010 beginnt ohne das Gesumme von hochgerechnet 48 000 Bienenvölkern. Neu ist ein besorgniserregender Trend: Immer weniger Imker werden vom Massensterben verschont. 2007 gaben noch 37 Prozent der Imker an, sie hätten keine Völker verloren. Im letzten Winter waren es nur noch 19 Prozent, die ohne Schaden davonkamen.
Bern im «schlimmen» Mittelfeld
Der bienenreiche Kanton Bern liegt im Mittelfeld der Sterbestatistik: «Aber auch im Mittelfeld ist es eben sehr, sehr schlimm», sagt Erwin Mugglin, Präsident des Verbandes bernischer Bienenzüchtervereine. Schlimm seien nicht nur die Verluste an sich, sondern die «totale Verunsicherung» unter den Imkern: «Das Massensterben trifft alle. Die Schludrigen ebenso wie die Gewissenhaften.» Deshalb sei der Stand der Imker an der BEA heuer auch zum Ort des Sorgenaustausches geworden. Er selber fühle sich angesichts der Lage «recht hilflos».
Für Richard Wyss, Präsident des Vereins Deutschschweizerischer und Rätoromanischer Bienenfreunde (VDRB), ist das Schicksal der Imker zwar schlimm, aber das mindestens so grosse Drama sei der drohende ökologische und ökonomische Schaden. Bienen stellten die Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen sicher. Die Erträge von Beeren- und Obstkulturen hängen entscheidend von der Bestäubung durch Bienen ab. Agrarexperten schätzen, dass das Verschwinden der Bienen die Erträge der schweizerischen Obst- und Beerenkulturen um rund 300 Millionen Franken pro Jahr einbrechen liesse. Für den Agrarkanton Bern wird der volkswirtschaftliche Nutzen der Bienen auf 50 Millionen Franken geschätzt. Solche Zahlen verdeutlichten, dass der Honig der Bienen «nur die schöne Beigabe ist», sagt Wyss.
Wenig politische Sensibilität
Allerdings ignoriere die Politik weitgehend die Gesamtzusammenhänge, klagt Wyss. Es sei «ein Trauerspiel», dass massive Kürzungen der bescheidenen Bundesmittel für die Bienenzucht – 250 000 Franken pro Jahr – drohten, «und das just jetzt, wo wir fürs ökologische und ökonomische Gesamtwohl einen professionellen Bienengesundheitsdienst aufbauen und die züchterischen Anstrengungen verbessern wollen». Tragisch an solcher Ignoranz sei, dass eigentlich alle wüssten, dass ohne menschliche Unterstützung in der Schweiz kein einziges Bienenvolk überlebe: «Es gibt kein Volk, das nicht von der Varroamilbe befallen und somit gefährdet ist.» Gehe den Imkern angesichts der fehlenden Unterstützung der Schnauf aus, bedeute dies auch für die Bienen das Aus. Der Mensch habe also ein Tier, das über Jahrmillionen als vielleicht wichtigster Bestäuber die Biodiversität auf dem Planeten habe sichern helfen «an den Rand der Existenz gebracht».
Hoffen auf die «robuste» Rasse
Setzen die 3600 bernischen und 14 000 ausserbernischen Imker eventuell auf die falsche, weil zu anfällige Biene? Imker Mugglin kann mit der Frage nicht viel anfangen: «Wir Imker haben das Gefühl, dass es alle Rassen trifft.» Richard Wyss seinerseits will «nicht ausschliessen, dass auch die Zucht einen Einfluss hat». Genau deshalb würden ja jetzt die Anstrengungen verstärkt, die genetische Vielfalt unter den Völkern zu verbessern: «Wir suchen nach der robusten Biene, denn das oberste Ziel ist, dass es künftig überhaupt noch Bienen hat.» Wyss nennt Eigenschaften, die der «robusten Biene» gut anstünden: «Ein guter Putztrieb. Sanftmut. Und ertragreich darf sie selbstverständlich auch sein.»
Forderungen für die Zukunft
Jahr für Jahr wiederholen sich im Frühling die schlechten Nachrichten. Gibt es keine Lichtblicke? Doch, beteuert der bernische «Oberimker» Erwin Mugglin: Das hohe Durchschnittsalter der Imker sinke, und die Angst, dass die Imkerei aussterbe, verflüchtige sich deshalb. Es gebe wieder Menschen, die diese für die Natur derart wichtige Aufgabe freiwillig übernehmen wollten. Mugglin: «Das kann ich gut verstehen, denn dank der Imkerei kann man den jahreszeitlichen Verlauf der Natur wirklich hautnah erleben.» Gleichzeitig wachse das Bewusstsein, dass angehende Landwirte mehr über den kleinen Nützling wissen müssten: «Wir erwarten, dass die Imkerei in unseren landwirtschaftlichen Schulen wieder ein Fach wird, am besten ein Pflichtfach.» Wüssten Landwirte mehr über den Zusammenhang zwischen der Bestäubungsleistung der Bienen und dem Ertrag der Landwirtschaft, dann sinke wohl auch der Einsatz von bienenschädigenden Chemikalien. Richard Wyss traut übrigens dem Kanton Bern durchaus eine Vorreiterrolle zu. Bern sei schon heute «ein Musterknabe» und führe als einziger Kanton eine eigentliche Fachstelle Bienen.
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