Fahrende ziehen weiterBiel könnte bald einen Transitplatz bekommen
Am Freitag sind die Fahrenden vor der Tissot Arena weggezogen. Jetzt müsste sich Sicherheitsdirektor Feurer für einen Transitplatz einsetzen.

Sie haben Wort gehalten: Die Roma-Familien aus Frankreich, die seit zwei Wochen einen Aussenparkplatz besetzt hielten, haben diesen am Freitagabend verlassen und sind aus Biel weggezogen. Offenbar haben sie sich neu in der Region Bern niedergelassen. Sie erfüllen damit ihren Teil eines Deals, den sie mit Biels Sicherheitsdirektor Beat Feurer (SVP) eingegangen sind.
Dieser hatte von den Fahrenden verlangt, den Parkplatz bis Samstagmittag zu räumen. Im Gegenzug hat er versprochen, sich im Bieler Gemeinderat für die rasche Realisierung eines Transitplatzes auf Bieler Boden einzusetzen. Ein solcher würde den ausländischen Fahrenden einen legalen Aufenthalt ermöglichen. Sollten die Roma-Familien jedoch nicht einlenken, drohte Feurer, sei das Projekt Transitplatz gestorben.
Beat Feurer hat Druck auf die Gruppe Fahrender aufgebaut, weil ihn der EHC Biel zu Hilfe gerufen hatte. Das Bieler Sportaushängeschild braucht den Aussenparkplatz bei den Stadien an seinen Heimspielen für die eigene VIP-Kundschaft. Der Sicherheitsdirektor geriet zudem politisch zunehmend unter Druck, etwas gegen die Landbesetzung zu unternehmen. Der Rechtsweg stand ihm dabei nicht offen, da die Stadt nicht Nutzungsberechtigte des Parkplatzes ist.
Sowieso würde es aber mehrere Wochen dauern, auf dem juristischen Weg eine polizeiliche Räumung herbeizuführen - viel zu lange, angesichts der Tatsache, dass der EHC Biel derzeit im Playoff-Viertelfinal vor vollem Heimstadion gegen den SC Bern antritt. Verhandlungsgeschick war also gefragt. Und Beat Feurer hatte mit der potenziellen Schaffung eines offiziellen Transitplatzes ein starkes Druckmittel zur Verfügung.
Biel bietet den Gemeinden eine Fahrenden-Versicherung an
Nachdem die Fahrenden ihren Teil der Abmachung eingehalten haben, ist jetzt der SVP-Politiker am Zug. Die Lösung für den Bau eines Transitplatzes wird voraussichtlich Anfang April dem Gemeinderat vorgelegt.
Feurer setzt bei der Planung des Transitplatzes für ausländische Fahrende auf regionale Solidarität. Er hat immer betont, dass Biel nicht bereit sei, das Problem mit den Landbesetzungen alleine zu lösen. Er schlägt daher einen Weg vor, den in der Schweiz zuvor noch keine Stadt beschritten hat. Im Januar hat Feurer mit seiner Direktion allen Gemeinden in den Verwaltungskreisen Biel und Seeland ein Angebot unterbreitet, sich am Transitplatz zu beteiligen.
Biel, so der Vorschlag, betreibe vorerst für zwei Jahre testweise einen Platz für ausländische Fahrende. Die Seeländer Gemeinden zahlen dafür aus Solidarität einen finanziellen Beitrag. Das «Regionaljournal» von SRF nannte diese Woche erstmals Zahlen: Zwei Franken pro Einwohnerin und Einwohner soll der Solidaritätsbatzen betragen. Nidau würde also pro Jahr rund 14 000 Franken an Biel überweisen, Orpund rund 6000 Franken.
Zusätzlich bietet die Stadt Biel den Gemeinden eine Art Fahrenden-Versicherung. Kommt es in einer «versicherten» Gemeinde trotz Transitplatz in Biel zu einer illegalen Landbesetzung, reicht ein Anruf bei der Bieler Sicherheitsdirektion. Die Stadt übernimmt dann die Verhandlung mit den Fahrenden vor Ort, die juristischen Abklärungen, den administrativen Aufwand. Gemeinden, die sich versichern lassen wollen, bezahlen jährlich noch einmal 2.20 Franken pro Einwohnerin und Einwohner an Biel.
Macht Biel aus den Fahrenden ein Geschäft?
Doch sind die Gemeinden bereit, für einen Platz auf Bieler Boden mit eigenem Steuergeld zu zahlen? Die Rückmeldungen auf das Angebot seien durchzogen, sagt Feurer einzig. Die genannten Zahlen will er nicht kommentieren. Aus den Rückmeldungen lasse sich kein klarer politischer Weg ablesen. Klar ist: Das Angebot der Stadt Biel dürfte vor allem für die Gemeinden in der erweiterten Agglomeration attraktiv sein. Sie waren in den letzten Jahren immer wieder mit unerwünschtem Besuch durch ausländische Fahrende konfrontiert. Und sie haben Biel immer wieder aufgefordert, endlich zu handeln.
Die Gemeinden aus dem Grossen Moos hingegen dürfte das Angebot der Stadt weniger interessieren. Soweit sie überhaupt von den Problemen mit Fahrenden tangiert sind, dürfen sie auf die Eröffnung des Transitplatzes in Wileroltigen hoffen. Der liegt für sie geografisch näher und dürfte 2025 eröffnet werden.
«Biel wittert das Geschäft. Es riecht nach Bereicherung.»
Dieses Bild bestätigt auch die Umfrage des «Regionaljournal». So stört sich etwa Jakob Etter, Gemeindepräsident von Treiten, am gewählten Modell: «Biel wittert das Geschäft. Es riecht nach Bereicherung», sagt er gegenüber SRF.
Der Grund: Das Land im Bözingenfeld, auf dem Biel den Transitplatz realisieren möchte, würde der Kanton Bern zur Verfügung stellen. Dieser gibt zudem eine Defizitgarantie für den Betrieb des Platzes ab und zwar unabhängig des Solidaritätsbeitrags der Seeländer Gemeinden. Der Kanton kommt also für die Erstellungskosten des Platzes auf und garantiert einen kostendeckenden Betrieb. Der Solidaritätsbatzen der Seeländer Gemeinden würde demnach in die Bieler Stadtkasse fliessen.
Dass Biel mit dem vorgeschlagenen Modell Geld verdienen will und wird, daraus hat Beat Feurer nie ein Geheimnis gemacht. Da die Schaffung eines Transitplatzes für ausländische Fahrende in grossen Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung stosse, habe ein solches Projekt einen politischen Preis, so sein Argument. Damit er und Biel bereit seien, diesen freiwillig zu zahlen, müsse für die Stadt dabei auch etwas herausschauen. Wobei der Betrag, der für Biel herausschauen dürfte, für die Grösse der Stadt rein symbolischer Natur ist.
Konkret nennt SRF 200 000 Franken, die mit dem Solidaritätsbatzen und den Versicherungsbeiträgen zusammenkommen sollen. Diese Zahl habe Feurer vorausgesetzt, damit er das Projekt politisch weiter vorantreibe. Kommentieren will dieser auch diesen Betrag auf Anfrage nicht. Sie dürfte jedoch stimmen, wie ajour.ch aus sicherer Quelle weiss.
Allerdings ist in dem Betrag offenbar auch die Stadt Biel selber mit den zwei Solidaritätsfranken eingerechnet. Bei rund 56 000 Einwohnerinnen und Einwohnern würde das alleine 112 000 Franken ausmachen. Gross ihre Rechnung aufhübschen wird die Stadt mit dem Transitplatz also so oder so nicht.
Fahrende statt Containersiedlung
Kommt hinzu, dass die Umfrage offenbar gezeigt hat, dass die Bereitschaft, zu zahlen, bei zu wenigen Gemeinden vorhanden ist. Die 200 000 Franken dürften daher kaum realistisch sein. Mit seinem Deal mit den Roma-Familien von dieser Woche hat sich Beat Feurer dennoch entschieden, das Projekt weiter voranzutreiben. Er hat mit seinem öffentlich gemachten Angebot an die Fahrenden nicht zuletzt den Gesamtgemeinderat vor dessen Entscheid gehörig unter Druck gesetzt.
Stimmt die Stadtregierung der Schaffung eines provisorischen Transitplatzes für vorerst zwei Jahre zu, soll es schnell gehen. Der Platz könnte offenbar noch in diesem Frühjahr zur Verfügung stehen. Vorgesehen ist, den Transitplatz auf jenem Areal einzurichten, auf dem bis zuletzt noch Geflüchtete in Containern untergebracht waren. Das Grundstück liegt unmittelbar an der Autobahn und ist bereits mit Wasser, Abwasser und Strom erschlossen.
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