Bessere Chancen für Flüchtlingskinder
Künftig sollen alle Kinder im Kindergarten Deutsch sprechen können. Dazu will der Kanton allen fremdsprachigen Kindern Kita-Besuche ermöglichen.

Oft holen sie den Rückstand nicht mehr auf. Wenn Kinder bei der Einschulung schlecht Deutsch sprechen, hat dies weitreichende Folgen für die Kleinen. Ihre beruflichen Erfolgschancen werden später unterdurchschnittlich sein. Gleichwohl werden im Kanton Bern bisher viele fremdsprachige Kinder nicht gezielt gefördert. Angebote existieren vorwiegend in den grösseren Ballungsräumen – und auch dort meist nur für wenige Stunden pro Woche. Das reicht nicht aus. Studien zeigen, dass mindestens zwei Halbtage Fremdbetreuung pro Woche notwendig sind – im Idealfall sind es fünf.
Nun reagiert der Kanton: Allen fremdsprachigen Kindern soll ab 2019 der Besuch von Kindertagesstätten (Kita) mit Gutscheinen finanziert werden. Dies selbst dann, wenn die Eltern keine Arbeit haben. Denn ansonsten erhalten nur berufstätige Eltern Gutscheine. Die neue Massnahme zielt also in erster Linie auf den Flüchtlingsbereich ab, wo die Arbeitslosenquote hoch ist. Die Idee des Kantons: Man will die fremdsprachigen Kinder «über einen längeren Zeitraum mit einer ausreichenden Intensität an die Unterrichtssprache heranführen».
Zuspruch aus der Stadt
Der Entscheid des Kantons erfolgte überraschend – die zuständigen Stellen wurden noch nicht richtig informiert (siehe Box). Sachlich hingegen stösst das Ansinnen auf Zuspruch. Es sei sehr «begrüssenswert», dass «etwas gemacht» werde, sagt Stefan Witter vom Berufsverband Bildung Bern. Heute seien die sprachlichen und kulturellen Unterschiede bei der Einschulung in den Kindergarten sehr gross. Weil auch die Schülerzahl pro Lehrperson hoch ist, falle es schwer, diese Unterschiede auszugleichen. Mit einer Frühförderung könne man dem erfolgreich entgegenwirken. Zudem lege man so den Grundstein für «erfolgreiche Bildungskarrieren». Auf Anfrage begrüsst auch Alex Haller, Leiter des Jugendamts der Stadt Bern, die Pläne. In der Stadt Bern – sie verfügt bereits über ein Gutscheinsystem – würden die Scheine auf Empfehlung von Fachstellen auch an Kinder mit Sprachförderbedarf verteilt. Dies bewähre sich. Das findet auch Nadine Hoch vom Schweizerischen Kita-Verband: Für Frühförderung seien Tagesstätten der richtige Ort.
Kostet es letztlich doch mehr?
Dem vielen Lob zum Trotz: Wie will der Kanton die Kita-Besuche der gegen 3000 Drei- und Vierjährigen finanzieren? Schliesslich will die Fürsorgedirektion von Pierre Alain Schnegg (SVP)(GEF) sparen. Man werde das Ganze «kostenneutral umsetzen», sagt Samuel Leuenberger, stellvertretender Leiter der Abteilung Frühe Förderung in der GEF. So werde ein Teil über das gewöhnliche System abgegolten. Dies etwa dann, wenn die Eltern berufstätig sind. Die zusätzlichen Mittel müssten somit lediglich für die Gutscheine jener Kinder bereitgestellt werden, die sonst keinen Anspruch auf Kita-Leistungen hätten. Diese Kosten – rund 650'000 Franken – will der Kanton dank den Einsparungen bei den bisherigen Frühförderprogrammen bezahlen.
Leise Kritik an den Plänen kommt aus jener Partei, die zuletzt den Kredit für die Unterbringung minderjähriger Asylbewerber zu Fall brachte: der SVP von Schnegg. Wenn das Vorhaben kostenneutral sei, sei es «okay», sagt SVP-Grossrätin Andrea Gschwend-Pieren. Sie fürchte sich aber vor Mehrkosten «für Steuerzahler und Gemeinden». Gleichwohl sei die Frühförderung «notwendig». Nur so würden die Kinder «die unsere Sprache beherrschen» nicht durch «die fremdsprachigen Kinder» beim Lernen gehemmt. An der Einführung würde aber selbst politischer Widerstand nichts ändern. Der Beschluss der Regierungs ist definitiv.
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