Berner Gericht verhängt erstmals Ausschaffung
Erstmals greift das neue Ausschaffungsgesetz: Das Regionalgericht Bern-Mittelland verurteilt einen Messerstecher zu 4 Jahren Haft und 10 Jahren Landesverweis.

Der verurteilte Afghane dürfte einer der ersten Straftäter sein, bei dem die neuen Ausschaffungsregeln angewendet werden. Denn als er in der Nacht zu jenem Oktobersonntag 2016 in der Berner Reithalle einem Landsmann ein Messer in den Bereich des Schlüsselbeins stiess und ihn dadurch lebensgefährlich verletzte, waren die Ausführungsbestimmungen zur Ausschaffungsinitiative gerade seit zwei Wochen in Kraft («Bund» vom Donnerstag). Somit war klar: Die Tat des heute 20-Jährigen fällt unter die verschärften Bestimmungen. Weil es für das neue Gesetz noch keine Rechtsprechungspraxis gibt, sann das Gericht lange darüber nach, in welchem Verhältnis der Landesverweis zur verhängten Strafe stehen sollte. Dies erklärte Daniel Gerber, Vorsitzender des Dreiergremiums am Regionalgericht Bern-Mittelland, bei der Urteilsverkündung.
Rückkehr des Landesverweises
Den Landesverweis gab es bis 2006 als zusätzliche Massnahme zur Strafe. Mit der Strafgesetzrevision von 2007 fiel sie weg – und kehrte im Zuge der 2010 vom Volk gutgeheissenen Ausschaffungsinitiative der SVP zurück, trat aber nicht sofort in Kraft. Nur ein Härtefall oder zwingende völkerrechtliche Hindernisse könnten die Ausschaffung verhindern. Hier nahm das Gericht keinen Härtefall an. Der Mann, dessen Volljährigkeit wegen mangelhafter Identitätspapiere in Bern gerichtsmedizinisch festgestellt werden musste, war mit dem erklärten Ziel in die Schweiz gereist, sich hier zu bilden und ein besseres Leben zu führen. Repression oder sonstige Probleme mit afghanischen Behörden machte er im Asylverfahren nicht geltend. Aus seinem Traum wird nichts: Wegen der Gewalttat in der Reitschule hat er vier Jahre abzusitzen, danach muss er die Schweiz für zehn Jahre verlassen. Ob diese Ausschaffung durchführbar sei, müsse die Vollzugsbehörde zum gegebenen Zeitpunkt entscheiden, befand das Gericht.
Ermittlungen stark behindert
Der Afghane war bei einem Besuch in der Reitschule mit einem flüchtig bekannten Landsmann in einen Streit geraten. Sowohl das Opfer als auch der Täter, die beide Deutsch verstehen, äusserten sich in der Verhandlung vage, vieles bleibt ungeklärt. Angeblich hat das spätere Opfer die Mutter des Täters beleidigt. Womöglich ging dem Messerstich eine Rempelei voraus, bei der auch der Täter leicht verletzt wurde. Dieser sagte, er sei ohnmächtig geworden, und beim Erwachen habe er dann das unbekannte kleine Messer in der Hand gehabt.
Die Umstände am Tatort waren aus polizeilicher Sicht unerfreulich, wie der Richter gestern ausführlich darlegte. Zwar liess sich ein Wirt aus der Reitschule zum Vorfall befragen, doch hatte er die Tat nicht direkt beobachtet. Sonst aber mauerten die Reitschulverantwortlichen, auch die Security, die wegen des Konflikts zwischen mindestens drei Beteiligten mit zehn Mann auf den Plan trat. Das Opfer machte sie auf seine Verletzung aufmerksam, für den Mann wurde eine Ambulanz gerufen. Der Täter wurde rabiat an die frische Luft befördert, aber nicht festgehalten. Eine Polizeistreife traf ihn in derselben Nacht eher zufällig im Umfeld der benachbarten Drogenabgabestelle an. Keiner der vielen Reitschul-Partygäste reagierte auf den Zeugenaufruf der Polizei. Diese wurde von Anwesenden mit Glasflaschen beworfen und mit Feuerwerk beschossen. An eine seriöse Tatortsicherung, wie sie jeder Laie aus einer beliebigen CSI-Fernsehreihe kennt, war unter diesen Umständen nicht zu denken. Am Sonntagmorgen war laut Polizei am Tatort ein Reinigungsmann zugange, der angab, ihm seien keine Blutspuren aufgefallen. Das Messer sei nie gefunden worden, sagte der Richter.
Ohne sofortige Not-OP im Inselspital wäre das Opfer wohl gestorben. «Sie haben Glück, dass Sie nicht wegen vorsätzlicher Tötung hier stehen», sagte der Richter während des Schlussworts zum Verurteilten. «Sie haben das Gastrecht schwerwiegend missbraucht, dafür müssen Sie die Konsequenzen tragen.»
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