Berner Bären machen sich rar
Anders als im Bärengraben braucht Glück und Geduld, wer Berns Wappentier im Bärenpark bewundern will. Björk und Finn machen sich rar. Bei den Besuchern halten sich Enttäuschung und Verständnis die Waage.

Was mit dem alten Bärengraben noch eine Selbstverständlichkeit war, wurde im Bärenpark zum Glücksfall: Meister Petz zu Gesicht zu bekommen. Im neuen Wahrzeichen Berns haben die Bären keine fixen «Präsenzzeiten» mehr. Ziehen es Björk und Finn vor, in ihren Höhlen oder Stallungen zu bleiben, haben die Besucherinnen und Besucher das Nachsehen.
So auch an diesem winterlichen Vormittag. In verschneitem Weiss präsentiert sich die Anlage am Aarehang zwar von ihrer schönsten Seite. Doch nur die über das Gelände verteilten, umgeknickten Bäumchen und die Tatzen- und Rollspuren im Schnee zeugen davon, dass hier ein grosses Wesen zu Hause ist. Vergeblich halten die Leute oben am Geländer Ausschau nach den Bären. Und folgenlos bleiben auch die Rufe des Knaben, der das Gelände mit Sperberaugen absucht: «Bäri, Bäri!»
Er sei schon ein wenig enttäuscht über das leere Gehege, sagt Emil Petersen aus Dänemark. Doch für die Bären seien die Rückzugsmöglichkeiten sicherlich besser. Ähnlicher Meinung ist Zixin You, der seiner Familie aus China gerne Berns Wappentiere gezeigt hätte. Er fügt an, dass es derzeit bestimmt auch viel zu kalt sei für die Bären. Und Rita Dörig aus Luzern meint, sie habe gar nicht damit gerechnet, einen Bären zu sehen. Der Bärenpark gefalle ihr dennoch. «Der alte Graben war ja eine richtige Katastrophe», sagt sie. «Man kann sich ja gar nicht mehr vorstellen, dass dort einmal Bären leben mussten.»
Chance um 9 Uhr am grössten
Tierparkdirektor Bernd Schildger ist sich bewusst, dass die Lotterie, die die neue Bären-Umgebung mit sich bringt, zu Enttäuschungen führen kann. Dann sei es die Aufgabe des Personals, den Leuten zu erklären, weshalb im Bärenpark alles etwas anders sei. Schildger schätzt, dass die Reaktionen vor Ort «im Verhältnis hundert zu eins» positiv seien. Durch äussere Umstände habe man im Moment wahrscheinlich das «Maximum der Nicht-Sichtbarkeit» der Bären erreicht. Die Tiere seien immer noch in der Eingewöhnungsphase. Zudem legten Bären normalerweise im Winter eine Ruhephase ein, und auch der Zwischenfall mit dem geistig behinderten Mann im November sei erschwerend für das Einleben der Tiere hinzugekommen.
Bärin Björk, die derzeit im südlichen, grösseren Teil des Parks lebt, macht Winterruhe. «Sie zu sehen, ist ein absoluter Glücksfall», sagt Schildger. Sie bewege sich täglich etwa zwei bis drei Mal für sehr kurze Zeit aus ihrer Höhle. Grösser ist die Chance bei Finn. «Am wahrscheinlichsten ist Finn zwischen 9 und 9.30 Uhr draussen», erklärt Schildger. Dann nämlich öffneten die Pfleger den Schieber zu den Stallungen. Ob und wie lange Finn im Gehege tollt, sei alleine ihm überlassen. «Der Bär entscheidet», so Schildger. Er schätzt, dass Finn täglich zwischen zwei und acht Stunden zu sehen sei. Es käme nicht infrage, ihn mit Hilfsmitteln am Nachmittag häufiger nach draussen zu locken.
Neue Kultur bei Besuchern
Der Bärenpark passt gut zum Motto, das Schildger im Tierpark Dählhölzli etabliert hat: «Mehr Platz für weniger Tiere.» Das Konzept führe «weg vom konfektionierten Bären, der zu jedem beliebigen Zeitpunkt konsumiert werden kann und hin zum Bären als Wildtier», umschreibt es der Tierparkdirektor. Bei den Besuchern entwickle sich allmählich eine neue Kultur. Die Spannung entstehe schon nur durch die Ungewissheit, ob die Bären anzutreffen seien – und bei der Suche nach ihnen. «Auch das Areal als solches entfaltet eine Wirkung», sagt Schildger. «Sich vorzustellen, dass am Hang vis-à-vis der Berner Altstadt Bären wohnen, ist an sich schon etwas Spezielles.»
Zum «Fotosujet schlechthin» sei eine Schautafel zwischen den zwei alten Gräben mit der Altstadt im Hintergrund geworden. Zudem könne man feststellen, dass die Leute im Durchschnitt länger im Bärenpark verweilten als früher, sagt Schildger.
Mischa und Mascha als Alternative
Dass die meisten Besucherinnen und Besucher Verständnis für die neuen Gegebenheiten haben, bestätigt Michel Pfister, der regelmässig am Schalter von Bern Tourismus beim Bärenpark arbeitet. Am ehesten enttäuscht reagierten Touristengruppen, die den Park per Car besuchten und nur wenig Zeit hätten. Auch bei Kindern gebe es manchmal lange Gesichter. Als Alternative empfehle er dann jeweils, die beiden Jungbären Mischa und Mascha im Dählhölzli zu besichtigen, oder verweise auf die Webcams, erzählt Pfister. «Wenn die Leute merken, dass die Bären eigentlich da sind, aber bloss in den Höhlen ruhen, ist das Verständnis sofort viel grösser.»
Auch eine Untersuchung, die 2005 am Institut für Psychologie der Universität Bern durchgeführt wurde, stützt die Einschätzungen. Die Befragung von 262 Besucherinnen und Besuchern des Tierparks Dählhölzli ergab damals, dass sich nur jeder Zwanzigste «ein wenig» ärgert, falls er bestimmte Tiere nicht erspähen kann. Dagegen gaben 88 Prozent an, sich eher oder gar nicht daran zu stören, wenn sich bestimmte Tiere nicht zeigten.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch