«Aufgetischt»: Wo bitte gehts zu den Hühnerherzen?
Unser Testesser hat mit Fussball wenig am Hut. Für die WM-Serie begibt er sich aber gerne nach Brasilien – genauer gesagt in die Bar Brésil.

Der Testesser und Fussball: zwei Dinge, die gar nichts miteinander zu tun haben. Dennoch ist er gerne bereit, sich im Dienste unserer kleinen «Aufgetischt»-Serie zur WM kulinarisch nach Brasilien zu begeben, denn morgen spielt die Schweiz gegen dieses Land. Auf ins Kirchenfeld in eine einschlägige Beiz, aus der Besucher von riesigen Fleischspiessen und anderen fettigen Speisen geschwärmt haben. Laut Internet sollte sie offen haben, auch wenn ihre Webseite tot ist. Das hätte aufhorchen lassen müssen, doch auf anderen Internetseiten erscheint das Lokal quicklebendig. Vor Ort stellt das Gastro-Kommando leider fest, dass das Restaurant klammheimlich seinen Namen gewechselt hat – und offensichtlich über Mittag nicht geöffnet ist.
Als Brasilianer im Geiste ist der Testesser nicht so verbohrt, dass er darob verzweifelt, sondern fährt flexibel in die Stadt zum Restaurant, das den Namen Brasilien im Namen führt: Bar Brésil. Zwar hängen im Lokal mit dem hellen Holzmobiliar viele bunte Nationalfähnchen und eine altertümliche YB-Uhr, auch eine grosse Flagge Brasiliens («Ordem e Progresso»), und die Kellnerin ist ebenfalls Brasilianerin. Mit Brasilien hat das Café, das laut Karte von «Gérantin: Frau Ch. Weber» geleitet wird, aber sonst wenig am Hut. Im Café Brésil gabs einst einen Kaffee, der aus der Sorte Brésil zubereitet wurde. Das ist lange her. Der Testesser erinnert sich an Spielfilme, die er im Kino sah, bevor er nach Bern zog – und das ist schon drei Jahrzehnte her: Darin war das Café Brésil zu sehen. Es war wohl der James-Bond-Film «Im Dienste ihrer Majestät» von 1969. Oder «Kleine frieren auch im Sommer» von 1978?
Von züngelnden Flammen und megalomanen Fleischspiessen mit Hühnerherzen ist hier keine Spur zu sehen. Am Tischchen vor der Tür trinken Stammgäste ihr Bier und beklagen die Unsitte, dass Banken kaum noch Kundenschalter betreiben. Der Testesser und sein gutmütiger Begleiter, der die Dislokation ohne Murren mitgemacht hat, studieren die Speisekarte. Das Duo einigt sich darauf, dass der Begleiter den Brésil-Burger (Fr. 10.– / inkl. 3 dl Getränk) nimmt, laut Tischauflage «dr best ir Stadt». Er ordert die Luxusversion mit Speck und Käse, was einen Zuschlag von zwei Franken auslöst. Der Testesser entscheidet sich für das andere Gericht: Chili con Carne («Hausgemacht!») für Fr. 9.80. Als Apéro stürzt er ein alkoholfreies Bierchen, das in diesem Etablissement wohl weniger oft umgesetzt wird als die Normal-Version. Ist das Chili tatsächlich hausgemacht? Die Wirtin Christine Weber antwortet ehrlich: Es sei hausgemacht, werde dann in Portionen abgepackt und eingefroren.
Von Frost ist nichts zu spüren, als die Schüssel mit dem Hackfleisch und einigen Mais-Nachos auf dem Tisch steht: Das Gericht ist teuflisch heiss, scharf ist auch die Paprikaschote. Der Testesser hat ein Glas Rioja bestellt (Fr. 4.80/dl) und findet den Wein («Dörrfrucht-Nuancen», «eleganter Tabakfond») recht unauffällig, aber nicht unangenehm – und preiswert. Die Hitze im Mund muss er dringend mit Mineralwasser (Fr. 3.90) bekämpfen. Der Hamburger sei sehr gut, sagt der Begleiter, auch wenn die Cocktail-Sauce etwas zu stark dominiere. Der Burger (oder der Speck) wurde frisch gebraten, das legen jedenfalls die Zischgeräusche aus der Küche nahe. Das Chili ist ebenfalls tadellos. Desserts gibts nicht, doch einen schönen Ersatz, einen Kaffee mit «Güx» und viel Schlagrahm (Fr. 6.80). So ist Fussball eine glatte Sache, findet der Testesser. (Der Bund)
Erstellt: 16.06.2018, 08:20 Uhr
Die Rechnung, bitte
Karte: Winzig; die Gäste werden mit den vielen offenen Weinen und dem Bier nicht ganz allein gelassen. Es gibt Hamburger und Chili con carne.
Preise: Sehr moderat. Der «Bund» hat das Lokal 2016 in seiner Beizenserie über traditionelle «Spunten» abgehandelt, von denen es immer weniger Vertreter gibt.
Kundschaft: Handwerker, Rentner, Passanten, Touristen – und viele Stammgäste.
Öffnungszeiten: Mo–Fr 7–23 Uhr, Sa 9–18 Uhr, So/Feiertage geschlossen.
Adresse: Bar Brésil, Christine Weber, Bollwerk 15, 3011 Bern, Telefon 031 311 68 03.
Keine Webseite, keine E-Mail-Adresse.
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