Polo Hofer: «Mir hei's verdient, jawohl!»
Bald ist Fussball-WM, und pünktlich werden die Musikschaffenden der Welt etwas dusselig im Kopf: Polo Hofer erfindet einen poetisch unvollkommenen Fan-Song, und Shakira gluckst auf Afrikanisch.

Der SCB hat es bewiesen: Man kann auch Meisterschaften gewinnen, ohne besonderen Wert auf Stil und Kunstverständnis zu legen. Unter dem Trainer Van Boxmeer – ein erklärter Jazzliebhaber – war die Mannschaft noch unrühmlich in den Play-Off-Vorrunden ausgeschieden. Seither weht auf der Allmend ein etwas anderer kultureller Wind: Ballermann-Musik höre man neuerdings in den Garderoben des SCB, verriet kürzlich ein Spieler dem Schweizer Fernsehen, und prompt ist der Erfolg wieder nach Bern zurückgekehrt.
Selbst als die amtierende MusicStar-Championette Fabienne Louves vor einem wichtigen Play-Off-Spiel die Interpretation der Nationalhymne dermassen vermasselte, dass eine 17-Tausenderschaft ein erzürntes Pfeifkonzert veranstaltete, bodigten die Berner Genf problemlos mit 6:2.
Übelstmögliches Kraut
Vielleicht hatte Polo Hofer solcherlei Hintergedanken, als er sich ans Schreiben des neuen Fan-Songs machte, mit dem unsere Fussball-Nationalmannschaft in Südafrika unterstützt werden soll. Gestern wurde er feierlich als «Offizieller WM-Fan-Song» vom Schweizerischen Fussballverband vorgestellt – in den einschlägigen Foren der Fussballfans herrscht seither kollektive Betretenheit: «Da hat ja der Polo übelstmögliches Kraut geraucht, vorher!», analysiert ein Ballsport-Freund die Situation im «Bund»-Forum «Zum Runden Leder». Und tatsächlich ist da etwas bestenfalls Psychedelisches entstanden. Etwas, das selbst hartgesottene Ballermann-Sportsfreunde nicht froh machen dürfte.
Das Lied geht folgendermassen: Es startet – weil sich das bei Fussball-Hymnen aus Schweizer Produktion offenbar so eingebürgert hat – mit ein bisschen Stadion-Ambiente und einer Trillerpfeife, dann werden ein lieblos programmierter Techno-Beat und ein Trance-Synthesizer gestartet, und Rocker Polo Hofer präsentiert uns zum ersten Mal den Refrain: «Hey Manne, mir blybe dranne, mir blybe dranne, mir blybe am Ball…». Dann wechseln Polos Studiomusiker kurz auf ein afrikanisches Klischee-Gitarrenriff, und um die Sache mit den Klischees noch ein bisschen zu vertiefen, stimmt Polo dazu im Chor ein «Hop Schwiz, Allez, Forza» an. Was darauf folgt, soll hier nur noch auszugsweise wiedergegeben werden. Es wird gereimt, bis sich die Schamhaare sträuben: «Jede Schuss e Gnuss u scho isch er im Goal / Lue doch die Wade, lue doch die Chraft / Lue die Parade, si sy voll im Saft / I dene Täg sy si zwäg und das tuet üs wohl.» Und es geht gar noch schlechter: «Oh, wie mir de jutze, wenn mir de putze / Da git's nüt z motze, mir hei's verdient, jawohl!» Am Schluss gerät Polo-National dann vollends in Ekstase und wechselt in den englischen Eurobeat-Slang: «We got the spirit, we got the power / We will succeed in our finest hour. / Yeah man!»
Weltmeister – zum Trotz
Beim Schweizerischen Fussballverband (SFV) ist man begeistert vom neuen Fussball-Lied: «Uns gefällt es. Es stellt auf, hat ein afrikanisches Flair und ist doch ein typischer Polo-Song», tönt es aus der Unterabteilung Musik des SFV. Man habe zehn bekannte Schweizer Künstler angefragt, einen Song zu schreiben, und erntete in der Folge eine Absage nach der andern. «Das Projekt war schon fast gestorben, bis sich Polo bei uns meldete», sagt der zuständige Kulturbeauftragte. Bereits während der letzten Fussball-Europameisterschaft streifte sich Polo Hofer das Nati-Leibchen über und zog – im Auftrag eines Schokoladeriegel-Fabrikanten und als dauer-angeheiterter Nationalmannschafts-Fan verkleidet – durch die Schweiz, unermüdlich seinen bereits für die WM 06 umgetexteten und 1984 geschriebenen Schlager «Hopp Schwiiz» zum Besten gebend.
Die Prognose ist nicht besonders gewagt: Mit seinem neuen Fusballhymnen-Vorstoss «Manne, mir blybe dranne» wird Polo selbst schwerstalkoholisierte Fussballfreunde in die Flucht schlagen. Zudem waren es in letzter Zeit ohnehin nicht die von offiziellen Stellen vorgeschlagenen Songs, welche die Herzen der Fans eroberten, sondern Lieder, mit denen niemand gerechnet hatte: An der WM 06 in Deutschland wurde Grönemeyers grossgestige offizielle WM-Hymne «Zeit, dass sich was dreht» verschmäht, dafür wurden die Sportfreunde Stiller mit ihrem spontan ersonnenen «54, 74, 90, 2006» reich und berühmt. Gleiches widerfuhr den wenig fussballaffinen White Stripes, deren Basslauf zum Song «Seven Nation Army» es zuerst in die Olympic-Marseille-Fankurve, von dort kurvenlos in die Stadien der Welt schaffte. Ebenfalls schwer dürfte es die heute von der Fifa als «Offizieller WM-Song» vorgestellte Ethno-Pop-Anbiederung «Waka Waka» von Shakira haben. Er ist immerhin nicht wesentlich schlechter als der «offizielle Coca-Cola-WM-Song» «Wavin' Flag» des im richtigen Leben höchst verdienstvollen somalischen Rappers K'Naan oder der «offizielle Pepsi-Cola-WM-Song» «Oh Africa» von Akon.
Es scheint, dass der Fussball die Musikschaffenden global einmal mehr ein bisschen dusselig im Kopf macht. Wer indes mit einer solch sonderbaren Hymne nach Afrika reist wie die Schweiz, der müsste schon zum Trotz Weltmeister werden.
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