«So einfach ist das»
Der Historiker Daniele Ganser ist in Bern an der ersten Kundgebung des Vereins Friedenskraft aufgetreten. Was er sagte – und was er nicht sagte: eine Demo-Nachlese.

Seine Rede war die Hauptattraktion an der Platzkundgebung des erst diesen Frühling gegründeten Vereins Friedenskraft. Vor gegen 300 Personen sprach der Basler Historiker Daniele Ganser am Freitagabend auf dem Berner Waisenhausplatz.
Im Vorfeld war befürchtet worden, an der Kundgebung könnten brutale Regimes wie jenes des syrischen Machthabers Assad verharmlost werden. Ganser ist aufgrund seiner Positionen umstritten; Kernthema seiner Forschung ist der «amerikanische Imperialismus». In der Szene der Verschwörungstheoretiker ist er ein Star. Selber bestreitet er vehement, Verschwörungstheorien zu verbreiten.
«Darf man das?»
Gansers Ansprache drehte sich um das Gewaltverbot der Vereinten Nationen (UNO). Dieses untersagt die Androhung und Anwendung von Gewalt zwischen Staaten. Er brachte Beispiele vergangener Kriege und fragte stets. «Darf man das?» Die Antwort gab er jeweils selber: Nein. Die Konsequenz: Ehemalige und amtierende Staatschefs wie Bush, Obama, Blair, May und Macron – sie sind alle Kriegsverbrecher.
Das Problem sei, dass die fünf Länder USA, Frankreich, Grossbritannien, Russland und China als ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats andere Staaten ungestraft überfallen könnten, sagte Ganser. Seine Ansprache wurde mehrfach durch Applaus und Jubelrufe unterbrochen.
Und Russland?
Er sei stets so kritisch gegenüber den Amerikanern, werde ihm immer wieder vorgehalten, warum er denn nicht auch Russland kritisiere, sagte Ganser. Die Antwort sei: Russland habe weniger Kriege geführt als die Amerikaner. Den russischen Einmarsch in Afghanistan 1979 verurteile er aber genauso. «Das war illegal, das muss kritisiert werden.» Genauso wie es eben wichtig sei, die Kriege der USA öffentlich zu kritisieren. Auch wenn man dafür hart angegangen werde. «Das kann ich Ihnen aus Erfahrung sagen.»
Knackpunkt Syrien
Gespannt war man auf Gansers Aussagen zum Syrienkonflikt. In ein paar wenigen Passagen äusserte er sich dazu. Der vormalige US-Präsident Obama habe seinen Auslandsgeheimdienst CIA nach Syrien geschickt, und der habe einen versteckten Krieg gegen Assad geführt, sagte er. «Das ist nicht erlaubt.» Denn die Regeln des UNO-Gewaltverbots gälten eben für alle.
Ausserdem, so Ganser später in seiner Ansprache, würden in Syrien alle Gegner von Assad bewaffnet. Diese Terroristen würden dann Freiheitskämpfer genannt. «Das wird total ausgeblendet.»
Oft höre er dann den Einwand, sagte Ganser schliesslich, die Russen würden in Syrien ja auch Bomben abwerfen. «Dann sage ich, das ist ein Unterschied, denn die haben die Einladung von Assad.» Assad versuche sich zu wehren gegen einen Putsch der CIA. Würde Putin ihm nicht helfen, wäre er schon lange gestürzt.
Wo bleibt die Kritik an Assad?
Mit dieser Unterscheidung hat Ganser formal recht. Russland ist in Syrien in Bezug auf das Völkerrecht in einer anderen Position als die USA. Allerdings war von ihm in der Folge zu diesem Konflikt nichts mehr zu hören. Kein Wort der Kritik an Assad, der von anderen Friedensorganisationen als das «Grundübel» betrachtet wird. Kein Wort über die äusserst brutale Niederschlagung des friedlichen und überkonfessionellen Aufstands und über die grausame Folter von Jugendlichen zu Beginn des Konflikts. Kein Wort dazu, dass Assad mit seinem mörderischen Regime Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzte, was – notabene – gemäss Völkerrecht ebenso verboten wäre. Genauso wie schwere Menschenrechtsverletzungen, die Assad begangen hat.
Gansers Tipp: Immer locker bleiben
Statt Kritik an Assad zu äussern, was man von einem Pazifisten durchaus erwarten dürfte, gab Ganser seinen Zuhörerinnen und Zuhörern Tipps, wie sie sich in einer komplizierten Welt am besten zurechtfinden und gegen Anfeindungen wappnen können. «Sie müssen sich am UNO-Gewaltverbot orientieren, dann stehen Sie auf solidem Boden», sagte er. Das heisse zum Beispiel: Angriffskrieg gegen Serbien? Illegal. Und: Die Verantwortungsträger müssten sich am Gewaltverbot messen lassen. «Wenn sie das brechen, sind sie Kriegsverbrecher. So einfach ist das.»
«Wenn Sie in der Friedensbewegung sind», sagte Ganser zum Publikum, «dann werden Sie angegriffen, dann werden Sie diffamiert. Dann haben Sie verschiedene Probleme, zum Beispiel mit Journalisten.» Es sei darum notwendig, sich eine gewisse Entspanntheit anzutrainieren. Wer darüber nicht verfüge, laufe Gefahr, sich in hitzigen Diskussionen übers Gewaltverbot oder den Irakkrieg so sehr zu enervieren, «dass er selber gewalttätig wird».
Darum müsse man sich entspannen, sagte Ganser und erzählte, er mache schon lange ein Achtsamkeitstraining. Seine Tipps ganz zum Schluss: «Immer friedlich, immer locker und freundlich bleiben. Vielen Dank und schönen Abend.»
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