Bern fühlt sich übergangen
Die SRG zügelt grosse Teile ihres Radiostudios von Bern nach Zürich. Die Parteien üben harsche Kritik.

Das «Echo der Zeit» erschallt künftig aus Zürich. Der Verwaltungsrat der SRG hat sich am Mittwoch für die Verlegung eines Grossteils des Berner SRF-Radiostudios nach Zürich ausgesprochen. «Wir sparen lieber im Immobiliensektor als im journalistischen Bereich. Und wir werden die Qualität unserer Radioprogramme zu sichern wissen, unabhängig davon, wo sie produziert werden», wird Ruedi Matter, Direktor SRF, in einer Medienmitteilung zitiert.
Bei der Belegschaft in Bern stösst diese Argumentation auf wenig Verständnis. Sie sei erstaunt über den Entscheid, sagt Priscilla Imboden, Redaktorin und Co-Präsidentin Radiostudio Bern des Schweizer Syndikats Medienschaffender (SSM) – der SRG-Hausgewerkschaft. Sie sei nicht davon ausgegangen, dass sich der SRG-Verwaltungsrat gegen den Widerstand der betroffenen Kantone und aller Parteien für den Wegzug aus Bern entscheide. Damit sei der Medienplatz Bern nur noch ein Satellit von Zürcher Verlagshäusern und des in Zürich domizilierten SRF. Wie viele der betroffenen Redaktorinnen und Redaktoren von sich aus kündigen werden, kann Imboden nicht sagen. Die SRG selber rechnet in einem jüngst publik gewordenen internen Papier mit einer Abgangsquote von dreissig Prozent. «Viele können es sich schon nur aus familiären Gründen nicht leisten, täglich über drei Stunden zu pendeln», sagt Imboden.
Sorgen um die journalistische Vielfalt macht sich Pro Radiostudio Bern, eine Aktion der Mitarbeitenden. Durch das Zusammenlegen von Radio- und TV-Redaktionen werde längerfristig die «innerbetriebliche Konkurrenz» vernichtet. Die Berichterstattung von Radio und Fernsehen werde sich angleichen, weil die publizistischen Entscheide alle im Newsroom in Zürich getroffen würden. Zudem werde die SRG das erhoffte Sparpotenzial von jährlich fünf Millionen Franken bei den Immobilien kaum erreichen, da für das heutige Bürogebäude der SRG-Generaldirektion an der Giacomettistrasse kaum Nachmieter gefunden werden könnten. «Fazit: Die SRG, das heisst die Gebührenzahler, müssen die leer stehenden Räume finanzieren», hält Pro Radiostudio Bern fest. Und diese schlage jährlich mit 4,3 Millionen Franken zu Buche.
Genossenschaft in Aufruhr
Äusserst negativ ist auch die Reaktion der SRG-Genossenschaft Bern Freiburg Wallis. Ihr Präsident Leander Jaggi hat bis zuletzt gehofft, dass der Beschluss zugunsten des Standortes Bern ausfallen werde. Nach dem Entscheid für den Umzug nach Zürich wolle man «nicht einfach zur Tagesordnung übergehen». An der heutigen Vorstandssitzung werde man über das weitere Vorgehen beraten, sagt Jaggi. Zu möglichen Optionen will er sich nicht äussern.
Er weist lediglich darauf hin, dass er die von der «SonntagsZeitung» kolportierte Möglichkeit der Betreibung eines eigenen Senders im Radiostudio Bern bereits dementiert habe. Dies wäre möglich, weil der SRG-Genossenschaft Bern Freiburg Wallis der Boden gehört, auf dem das Radiostudio Bern steht. Gegenüber der Agentur Keystone-SDA sprach Jaggi jüngst auch von der Möglichkeit eines Austritts aus der SRG. In diesem Fall könnte die Genossenschaft «auf eine andere Art Medienförderung leisten», zum Beispiel durch Investitionen in ein Radio, sagte Jaggi.
Thema an der Vorstandssitzung der Genossenschaft wird auch ein Artikel von Vizepräsident Beat Hayoz sein, der sich am Mittwoch in NZZ und BaZ überraschend für einen Umzug nach Zürich ausgesprochen hatte. Ihm sei diese Wortmeldung des Vizepräsidenten «unverständlich», so Jaggi. Schliesslich habe Hayoz die Resolution für einen Verbleib des Radiostudios in Bern mitgetragen.
«Wir sind enttäuscht»
Auch bei Stadt und Kanton Bern hatte man bis am Schluss gehofft, dass der Verwaltungsrat von seinem Plan abrückt: «Wir sind enttäuscht über diesen Entscheid», sagt der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL). Man habe der SRG Vorschläge für günstigere Immobilien gemacht, doch seitens der SRG sei man nicht ernsthaft in Verhandlungen getreten: «Es ist nun am Verwaltungsrat, wie er mit dem Scherbenhaufen umgehen will», sagt von Graffenried. «Nach dem erfreulich klaren Nein zur No-Billag-Initiative nimmt die SRG ohne Not einen Vertrauensverlust in Kauf», sagt der Stadtpräsident weiter. Damit riskiere die SRG auch, politischen Rückhalt bei jenen Kräften zu verlieren, die sie unterstützt hätten. «Denn von den Bergen bis ins Tal sind alle hässig», sagt von Graffenried, und spricht damit die Enttäuschung der Mitglieder des Vereins Hauptstadtregion Schweiz an.
«Mit diesem Vorgehen wird sich die SRG mittelfristig schwächen», sagt darum auch Regierungsrat Christoph Ammann (SP), Co-Präsident der Hauptstadtregion. Die SRG-Spitze stosse mit dem Abzug von rund 170 Medienschaffenden nicht nur die Region Bern vor den Kopf, sondern verabschiede sich zunehmend von der Grundidee eines regional verankerten Service public, sagt der Volkswirtschaftsdirektor.
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