Beziehungen Schweiz-EUBeide Seiten bleiben stur
Die Schweiz und die Europäische Union sind noch nicht bereit für neue Verhandlungen. Der Bundesrat sieht die Schuld dafür bei der EU.

Ein Verhandlungsmandat vor der Sommerpause: Das war die Hoffnung, als der Bundesrat im Februar einen neuen Anlauf nahm und das Aussendepartement beauftragte, mit der EU Sondierungsgespräche zu führen. Doch Verhandlungen sind nicht in Sicht. Er werde über ein Mandat entscheiden, wenn eine ausreichende Basis bestehe, teilte der Bundesrat am Freitag nach seiner europapolitischen Klausur mit. Die Sondierungsgespräche will er «intensivieren».
Gleichzeitig übt der Bundesrat Kritik. Die EU insistiere «unverändert und öffentlich» auf ihren bekannten Positionen, schreibt er in Anspielung auf einen geleakten Brief der EU-Kommission. «Das erschwert die Schaffung einer Schnittmenge zwischen den Interessen der Schweiz und denjenigen der EU.» Die Positionen lägen nach wie vor weit auseinander. Um den bilateralen Weg gemeinsam auf eine zukunftsträchtige Basis zu stellen, brauche es auch von der EU «mehr Flexibilität».
Ausnahmen statt rote Linien
Als Grundlage für ein mögliches Verhandlungsmandat dient dem Bundesrat ein Bericht von Alt-Staatssekretär Mario Gattiker. Er hatte den Auftrag, auszuloten, wo die Schweiz ihr Recht an EU-Recht anpassen könnte – und was innenpolitisch akzeptiert würde. Im Vordergrund steht die Frage, ob die Schweiz ihre Ziele erreichen kann, ohne dass ganze Bereiche wie der Lohnschutz und die Personenfreizügigkeit von der dynamischen Übernahme von EU-Recht ausgenommen werden.
Verhindern will die Schweiz eine Zuwanderung ins Sozialsystem und eine Unterminierung der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Beim letzten Verhandlungsmandat hatte der Bundesrat aus diesem Grund rote Linien festgelegt. Nun steht zur Diskussion, dass die Schweiz auch in den heiklen Bereichen grundsätzlich EU-Recht übernimmt, wenn die EU ihr Ausnahmen und Schutzklauseln zugesteht.
Eine Ausnahme könnte etwa darin bestehen, dass die Schweiz trotz Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie Personen das Aufenthaltsrecht entziehen kann, die hohe Sozialhilfekosten verursachen – oder dass sie weiterhin autonom entscheiden kann, wie Löhne kontrolliert werden. Für einen innenpolitischen Konsens steht auch ein Ausbau der flankierenden Massnahmen zur Diskussion. Die Mitte-Partei teilte mit, sie biete Hand dafür, sofern die Sozialpartner sich darauf einigen könnten.
Keine Sonderregeln für die Schweiz
Die Gewerkschaften möchten allerdings den Lohnschutz weiterhin grundsätzlich ausklammern und nur punktuell Konzessionen machen, wenn Probleme auftreten. Ob Ausnahmen und Schutzklauseln für die EU eine Option sind, ist ebenfalls offen. Die EU-Kommission informierte jüngst die Mitgliedstaaten in der sogenannten Efta-Arbeitsgruppe über den Stand der Gespräche.
Nun sei klar, dass für die Schweiz das institutionelle Rahmenabkommen kein Ausgangspunkt für Verhandlungen mehr sei, hiess es. Die Schweiz lehne eine neue Guillotine-Klausel und eine Modernisierung des Freihandelsabkommens von 1972 ab, beklagte die Kommission. Gleichzeitig fordere sie Ausnahmen und Schutzmassnahmen für sensible Bereiche. Für die Schweiz müssten aber dieselben Marktzugangsregeln gelten wie für alle.
Die Kommission will die Stimmung bei Mitgliedstaaten sowie im EU-Parlament weiter ausloten und wartet auf das Mandat des Bundesrates. Davon will Brüssel abhängig machen, ob ein Neustart der Verhandlungen überhaupt sinnvoll ist. Einige Mitgliedstaaten begrüssten in der Efta-Arbeitsgruppe, dass die Schweiz schnell auf den Fragekatalog der EU-Kommission geantwortet habe. Österreich sah positive Signale im Antwortschreiben der Schweiz. Diese sei bereit zu einer regelmässigen Kohäsionszahlung und habe zudem keine roten Linien benannt. Deutschland, Österreich und Portugal plädierten dafür, die bilateralen Verhandlungen bald wieder aufzunehmen.
Aktuell suchen beide Seiten nach einem Termin für ein nächstes Treffen im Rahmen der Sondierungsgespräche. Dieses soll noch vor der Sommerpause stattfinden. Ob es im Herbst zu einem Treffen zwischen Aussenminister Ignazio Cassis und EU-Kommissar Maros Sefcovic kommt, hängt vom weiteren Verlauf der Gespräche ab.
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