Frauen in der KunstBei Beyeler dreht sich jetzt alles um die Frau
Die Ausstellung «Close-up» in der Fondation Beyeler führt mit neun Künstlerinnen durch die jüngere Geschichte der Porträtkunst.

Porträtmalerei zwischen 1870 und heute, die von Künstlerinnen geschaffen wurde, steht im Mittelpunkt der neuen Ausstellung «Close-up» in der Fondation Beyeler. Das Spektrum reicht von Berthe Morisot über Frida Kahlo bis zu Cindy Sherman und Elizabeth Peyton.
Den Anfang macht Berthe Morisot (1841–1895). Sie fand ihre Modelle nicht im Aktstudio oder in der besseren Gesellschaft, wie das für ihre männlichen Künstlerkollegen typisch war, sondern in ihrem häuslichen Umfeld. Sie malte oft Mitglieder der eigenen Familie und weibliche Bedienstete. Sie beobachtete sie beim Lesen, am Kinderbett, vor dem Spiegel. Beim Nähen, bei der Toilette oder am Klavier. Und sie malte sie mit jener präzisen Unschärfe und jenem Sinn für den Moment, die für die impressionistische Malerei so typisch sind. Hinreissend, diese Pinselführung, diese Farben, Bildkompositionen und die emotionale Intensität dieser Gemälde!

Mit Mary Cassatt (1844–1926), der Amerikanerin in Paris, die auch mit Camille Pissarro zusammen gearbeitet hat, folgt auf Morisot in der Ausstellung «Close-up» eine zweite Malerin des Impressionismus, die einen etwas ruhigeren Malduktus pflegte. Sie porträtierte ebenfalls ihr nahestehende Personen im häuslichen Umfeld. Überraschend sind ihre Bilder von Mutter und Kind, die das Kind ins Zentrum rücken und das Gesicht der Mutter entweder gar nicht zeigen oder so, dass es sich ganz dem Kinde zuwendet.
Das maskierte Porträt
Paula Modersohn-Becker (1876–1907), eine Vertreterin des Expressionismus, entdeckte die Maske, hinter der sich die porträtierte Person versteckt. Dies geschah Jahr 1906, als auch Picasso in einem berühmt gewordenen Gemälde das Gesicht der Gertrude Stein durch eine Maske ersetzte und so einen entscheidenden Schritt hin zum Kubismus machte. Modersohn-Becker porträtierte damals die in Paris lebende Künstlerin Lee Hoetger, die Frau des deutschen Künstlers Bernhard Hoetger. Das Gesicht der Porträtierten erstarrte zur Maske. Auch bei ihren Selbstporträts zeigte sich Modersohn-Becker gerne als unnahbare, geradezu skulptural wirkende Erscheinung.

Frauen und Männer aus dem Berlin der Zwanzigerjahre stehen im Fokus von Lotte Lasersteins (1898–1993) Bildnissen, die eine sehr ernsthafte, nie ironische oder ins Groteske verzerrende Porträtkunst pflegte. Oft geht sie ganz nah an die Person heran, die sie malt, sodass das aus der Fotografie stammende «Close up», der Titel der Ausstellung, eigentlich am besten auf ihre Porträts zutrifft. In diesen frontalen Porträts blicken die Menschen dem Betrachter direkt in die Augen. Andere Bildnisse wiederum zeigen ihre Freundin und Muse namens Traute Rose beim Sport oder als Akt, bei dem sich die Malerin zudem selbst mit ins Bild bringt.

Mit Frida Kahlos (1907–1954) steifen und streng blickenden Selbstporträts knüpft die Ausstellung an die maskenhaften Porträts von Paula Modersohn-Becker an. Kahlo sieht im Grunde immer gleich aus, egal in welcher Stimmung sie ist. Ihr Gesicht zeigt sie meistens in Dreiviertelansicht, blickt den Betrachter aus den Augenwinkeln an und signalisiert damit maximale Distanz. Gerne reichert sie ihre Porträts mit symbolhaften, surrealistisch wirkenden Gegenständen oder auch Tieren an. So posiert sie in «Autoretrato Con Bonito» 1941 mit einem Papagei auf der Schulter.
Ein Warhol voller Narben
Nun treten wir bei unserem Rundgang ins Reich der Alice Neel (1900–1984) ein, die uns in ihren Porträts aus den Dreissiger- und Vierzigerjahren mit grossen, erschrockenen Kinderaugen empfängt, dann zu nachdenklichen Männerporträts wechselt, um in den Siebzigerjahren jenen zeichnerischen Malstil zu entwickeln, der die gemalte Person in einer häuslichen Umgebung zeigt, die nur in Umrissen erfasst ist. Ganz grossartig ist hier das intime Bildnis von Andy Warhol, der 1968 Opfer eines Mordanschlags geworden ist. Sein nackter Oberkörper ist entblösst und voller Operationsnarben. Seine Augen sind geschlossen, wie wenn ihn die Malerin, die ihm bei diesem Porträt unglaublich nah kommt, vor fremden Blicken schützen möchte.

Bei Marlene Dumas (geb. 1953) befinden wir uns in einer Welt des Schreckens, der Furcht und der Abwehr. Auf dem berühmten Porträt ihrer Tochter, die zuvor offenbar nackt in den Malsachen der Mutter gespielt hatte, wirkt das Mädchen mit seinen blauen und roten Händen und dem hellblauen Bauch wie ein Alien. Es ist der reine Schreck, der noch gesteigert wird dadurch, dass die Künstlerin ihr Bild schlicht «The Painter» nennt, als ob sie mit diesem Bild auch ein Selbstporträt malte.
Selbstporträt als Rollenspiel
Für Cindy Sherman (geb. 1954) ist Porträtkunst gleichzusetzen mit Rollenspiel. Bei ihr hat das Porträt einer Person als einmaliges und selbstbestimmtes Individuum ausgedient. Sie spielt dagegen mit immer wieder neuen, meist weiblichen Rollenklischees. Verkleidet sich, schminkt sich, macht sich die Haare, bis man sie fast nicht mehr erkennt. Eine schöne Beobachtung zu Shermans Porträts lesen wir im Katalog. «Selten reizen sie zum Lachen», steht da. Und: «Bei längerer Betrachtung verlieren die Bilder ihren parodistischen Anschein.» Anders gesagt, sie hinterfragen die gesellschaftliche und mediale Konstruktion von Weiblichkeit.

Schliesslich kommen wir mit Elizabeth Peyton (geb. 1965) ans Ende einer Ausstellung, die so vielfältig und perspektivenreich ist wie die darin vorkommenden Künstlerinnen. Hatte sich die Kuratorin Theodora Vischer bei den anderen Künstlerinnen – ausgenommen bei Alice Neel – auf bestimmte Werkausschnitte konzentriert, so zeigt sie nun Elisabeth Peyton mit Kostproben aus allen Phasen ihrer über dreissigjährigen Künstlerinnenkarriere. Peyton macht von den oft jugendlichen und durchaus selbstbewussten Menschen, die sie porträtiert, liebevolle, einfühlsame Bilder, deren Malstil immer mehr, und die jüngsten Bilder stammen aus dem Jahr 2020, an den Impressionismus einer Berthe Morisot erinnert.

Close-up, Fondation Beyeler, bis 2. Januar 2022
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