Autoverbot für Bezüger von SozialhilfeKantonsrat möchte Sozialhilfebezügern das Auto wegnehmen
Die SVP will Empfängern von Fürsorge verbieten, ein Auto zu besitzen. Nach hitziger Debatte hat der Kantonsrat den Vorstoss mit 86 zu 84 Stimmen überwiesen.
Von Ruedi Baumann Zürich – Nach «Adam Riese» sei die Rechnung klar, argumentierte Postulant Peter Preisig (SVP, Hinwil): Die Sozialhilfe beträgt pro Monat 977 Franken, das muss für Kleider und Essen ausreichen. Den «Luxus» eines Autos – mindestens 500 Franken pro Monat – «kann sich da keiner auf legalem Weg leisten». Eingereicht hat Preisig den Vorstoss 2008, nachdem ein brennender BMW an einer 1.-Mai-Nachdemo für Schlagzeilen gesorgt hatte – er gehörte einer Fürsorgebezügerin, die ihn geleast hatte. Der «BMW-Fall» war ein harter Schlag für die damalige Sozialvorsteherin Monika Stocker (Grüne). Heftig bekämpft wurde das Postulat von SP, Grünen und GLP. «Heute wird das Auto verboten, morgen die Zigaretten, übermorgen der Alkohol», sagte Emy Lalli (SP, Zürich). Den Kantonsrat gehe es herzlich wenig an, was sich ein Sozialhilfebezüger alles gönne – ob er sich zum Beispiel etwas Geld vom Mund abspare und sich damit ein altes Auto leiste oder hin und wieder ausleihe. Autofahren statt Essen? Die rechte Ratsseite sah das völlig anders. «Wenn ein Vater das Geld für ein Auto statt fürs Essen ausgibt, leidet die ganze Familie», sagte Heinz Kyburz (EDU, Männedorf). Und Linda Camenisch (FDP, Wallisellen) ergänzte: «Mangelnde Ernährung kann zu hohen Zahnarztrechnungen führen, die wiederum von der Sozialhilfe bezahlt werden.» Jean-Philippe Pinto (CVP, Volketswil) ergänzte: «Auch wer ein Auto von Verwandten zur Verfügung erhält, muss dies als Einkommen deklarieren.» Die Hauptargumente für die Überweisung lieferte Urs Lauffer (FDP, Zürich), 19 Jahre Mitglied der Stadtzürcher Sozialbehörde und kein Freund der SVP: «Der Missbrauchsfaktor in der Sozialhilfe und die Fantasie zum Schummeln sind nirgends so gross wie bei Autos.» Die Diskussion, wie viel Eigenverantwortung man einem Fürsorgeempfänger zutrauen soll, nahm teils skurrile Züge an: Die Bürgerlichen setzten sich für neue Gesetze ein, die Linken für Selbstverantwortung. Ruedi Lais (SP, Wallisellen) stichelte an die Adresse der FDP: «Der Slogan ‹Mehr Freiheit› gilt bei der FDP nicht mehr, wenn es bloss um die Freiheit für Arme geht.» Urs Lauffer konterte: «Und die SP vergisst die Freiheit, wenn sie wieder mal einschränkende Gesetze kreiert.»Eine verkehrte Welt bot auch die Grundsatzdebatte zum Auto: «Sozialhilfeempfänger benötigen kein eigenes Auto, sie belasten damit unnötig die Umwelt und können ihre Aufgaben auch mit dem öffentlichen Verkehr erledigen», heisst es in der Postulatsbegründung. «Diese Einsicht freut uns», spöttelte Eva Gutmann (GLP, Zürich). Max Homberger (Grüne, Wetzikon) ergänzte: «Das gilt auch für Autofahrer ohne Sozialhilfe.»Der neue Sicherheits- und Sozialdirektor Mario Fehr (SP) versprach eine eingehende Prüfung der Regeln im Sozialhilfegesetz. «Unser Bericht soll einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion um Autos und Sozialhilfe leisten.» Arbeiten statt kassieren Die SVP war gestern mit einem weiteren Vorstoss zur kritischen Überprüfung der Sozialhilfe erfolgreich. Es ging um die als ungerecht empfundenen Fälle von Fürsorgebezügern, die dank Sozialhilfe und Steuerbefreiung unter dem Strich besser fahren als arbeitende Personen mit tiefem Lohn, den diese versteuern müssen. Ein Postulat von Willy Haderer (SVP, Unterengstringen), der eine Anpassung der Skos-Richtlinien forderte, wurde mit 112 gegen 60 Stimmen überwiesen. Regierungsrat Mario Fehr bezeichnete das Zusammenspiel von Steuertarifen, Freibeträgen und Fürsorgegeldern als sehr komplex. Der Regierungsrat werde bis Ende 2012 Vorschläge innerhalb der Skos-Richtlinien ausarbeiten zu Eliminierung dieser Schwelleneffekte.
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