Türkische Panzer rücken nach Syrien vor
Das türkische Militär ist auf syrisches Gebiet vorgedrungen und greift IS-Stellungen an. Erdogan will auch gegen kurdische Milizen vorgehen.
Panzer der türkischen Streitkräfte sind über die Grenze nach Nordsyrien vorgedrungen. Das meldete das türkische Staatsfernsehen TRT. Präsident Recep Tayyip Erdogan bestätigte den Einsatz und erklärte, die Offensive unter dem Namen «Schutzschild Euphrat» richte sich gleichermassen gegen den IS und kurdische Milizen.
Nach dem Anschlag von Gaziantep will Ankara Terrorgruppen aus dem syrischen Grenzgebiet vertreiben. Dort soll eine Sondersicherheitszone errichtet werden.
Im Morgengrauen eröffneten Artillerie und Luftwaffe das Feuer auf die vom IS gehaltene Grenzstadt Dscharablus. Der private Fernsehsender NTV berichtete, danach seien türkische Spezialkräfte in Dscharablus eingerückt, um in «punktgenauen Operationen» gegen IS-Extremisten vorzugehen. Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu machte zunächst keine Angaben über die Zahl der Panzer, NTV sprach unter Berufung auf Militärkreise von bis zu 20.
Neben den Panzern passierten weitere Militärfahrzeuge die Grenze. Bei den Insassen handelte es sich um mutmassliche syrische Rebellen, die von Ankara unterstützt werden.
Massives Artilleriefeuer in Dscharablus
Die türkische Regierung bestätigte die Anwesenheit türkischer Soldaten in der syrischen Grenzstadt zunächst nicht. Der Fernsehsender Baer Türk und die Zeitung «Hürriyet» zitierten zu Beginn des Trommelfeuers auf Dscharablus Militärkreise mit den Angaben, eine Bodenoffensive habe noch nicht begonnen.
Das türkische Artilleriefeuer auf die Stadt war massiv: Haubitzen und Raketenwerfer hätten ab 04.00 Uhr Ortszeit in gut zwei Stunden 224 Geschosse auf 63 Ziele abgefeuert, meldeten Baer Türk und «Hürriyet». Dann seien gegen 06.00 Uhr Luftangriffe gefolgt.
Türkischen Medienberichten zufolge hatte die Regierung am Dienstagabend die Evakuierung des türkischen Grenzorts Karkamis angeordnet, der gegenüber von Dscharablus auf der anderen Grenzseite liegt.
Grenzgebiet als «Sondersicherheitszone»
Die türkische Regierung hatte nach dem Anschlag auf eine kurdische Hochzeit am Wochenende in der türkischen Grenzstadt Gaziantep ein hartes Vorgehen gegen den IS angekündigt. Sie sieht die Terrormiliz als Urheber des Anschlags, bei dem 54 Menschen getötet wurden. Lange Zeit hatte Ankara den IS im eigenen Land und im syrischen Grenzgebiet gewähren zu lassen, um den syrischen Machthaber Baschar al-Assad zu schwächen. Damit soll es nun vorbei sein: Das vom IS gehaltene syrische Grenzgebiet wurde zu einer «Sondersicherheitszone» erklärt.
Ankara forderte Journalisten auf, sich aus Sicherheitsgründen nicht in das Kampfgebiet zu begeben. Am Dienstag erklärte Aussenminister Mevlüt Cavusoglu «jegliche Art» Unterstützung für Operationen gegen den IS auf einem 100 Kilometer langen Streifen von Dscharablus bis Afrin an der syrischen Grenze.
US-Vizepräsident in Ankara
Die Offensive in Dscharablus wurde wenige Stunden vor einem Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden begonnen, der am Nachmittag in der Hauptstadt erwartet wurde.
Bidens Mission ist delikat: Während Washington ein entschiedenes Vorgehen Ankaras gegen den IS begrüsst, könnte es zugleich aber auch zu einer Konfrontation türkischer Truppen mit den von den USA unterstützten kurdischen Kämpfern in der Region kommen. Afrin ist in der Hand der kurdisch geführten SDF, die von Ankara als Ableger der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKKbetrachtet wird.
Dscharablus liegt am Euphrat und ist nur 30 Kilometer von der Stadt Manbidsch entfernt, aus der die SDF mit US-Unterstützung kürzlich den IS vertrieb.
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hatte am Wochenende angekündigt, dass sich die Türkei «aktiver» in eine Lösung des Syrienkonfliktes einbringen werde. Nach dem Anschlag in Gaziantep vom Samstag legte Aussenminister Mevlüt Cavusoglu nach und forderte, die Grenze zu Syrien müsse vollständig vom IS «gesäubert» werden.
Yildirim hatte am Montag allerdings auch betont, die Bildung einer kurdischen Region in Nordsyrien sei «absolut inakzeptabel».
Syrische Kurden kritisieren türkischen Angriff
Die Offensive stösst bei den Kurden auf Kritik. «Die Türkei ist im syrischen Sumpf», schrieb der Co-Vorsitzende der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim, heute auf Twitter. «Wird besiegt werden wie Daesh.» Daesh ist die arabische Abkürzung für die Terrormiliz IS.
Hintergrund des Protests sind Befürchtungen, dass es Ankara bei der Operation nicht nur um die Vertreibung des IS aus Dscharablus gehen könnte, sondern auch darum, einen weiteren Vormarsch syrisch-kurdischer Kräfte zu verhindern.
Die kurdischen Volksschutzeinheiten YPG – der bewaffnete Arm der PYD – haben vom IS in Syrien bereits mehrere Gebiete erobert und kontrollieren mittlerweile den grössten Teil der Grenze zur Türkei. Die PYD ist eng mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden. Die Türkei sieht beide Kräfte als Terrororganisationen an und bekämpft sie.
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