Syrer fliehen zu Tausenden – Iran schickt Hilfsgüter
Was vor einem Jahr als kleine Demo begann, artete in einen syrischen Bürgerkrieg aus. Tausende versuchen, ausser Landes zu gelangen. Den Zurückgebliebenen droht Gewalt und Hunger.

Ein Jahr nach Beginn des Aufstandes in Syrien nimmt die Gewalt weiter zu. Am Morgen wurden aus drei Stadtteilen der Hauptstadt Damaskus Gefechte zwischen den Regierungstruppen und oppositionellen Kämpfern gemeldet. Der Nachrichtensender al-Jazeera veröffentlichte ein Video, in dem bewaffnete Gegner des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus der Ortschaft Douma die Freilassung aller Gefangenen aus Douma fordern.
Die Bewaffneten drohten, einen angeblich von ihnen gefangen genommenen General der Armee zu töten, falls diese Forderung nicht binnen 72 Stunden erfüllt werden sollte. In mehreren Ländern sind diese Woche Protestaktionen geplant, um an den Beginn der syrischen Revolution am 15. März 2011 zu erinnern. Damals war eine kleine Demonstration in Damaskus mit Gewalt aufgelöst worden. Drei Tage später fielen in der Provinzstadt Daraa die ersten tödlichen Schüsse auf Demonstranten.
1000 Flüchtlinge an einem Tag
Die Zahl der syrischen Flüchtlinge in die Türkei ist derweil in kurzer Zeit stark angestiegen. In den vergangenen 24 Stunden haben nach Behördenangaben gut tausend Syrer die Grenze überschritten. «Wir erwarten, dass dies (der Flüchtlingsstrom) anhalten wird, solange die Militäraktion in Idlib andauert», sagte heute ein Mitglied der türkischen Regierung. Die Stadt im Nordwesten Syriens gilt als Bastion der Gegner von Präsident Bashar al-Assad und wurde kürzlich von Regierungstruppen gestürmt.
Mittlerweile sind gut 14'000 syrische Flüchtlinge in der Türkei registriert. Türkische Medien berichteten, in den grenznahen Provinzen Hatay, Gaziantep, Kilis und Sanliurfa würden zusätzliche Zeltstädte errichtet. Die Flüchtlingslager werden vom türkischen Roten Halbmond und dem Krisenzentrum der Regierung betreut. Nach Medienberichten rechnet die Türkei mit insgesamt bis zu 50'000 Flüchtlingen aus dem Nachbarland.
Berichte über verminte Grenze
Unter den Neuankömmlingen der vergangenen 24 Stunden war laut einem Sprecher des türkischen Aussenministeriums auch ein weiterer General der syrischen Streitkräfte. Damit setzten sich bisher insgesamt sieben syrische Generäle in die Türkei ab.
Vize-Regierungschef Besir Atalay warf der syrischen Führung im türkischen Fernsehen vor, die Fluchtrouten entlang der Grenze zwischen beiden Staaten mit Sprengsätzen zu verminen. Die syrische Armee greife damit «militärisch» ein, um Menschen an ihrer Flucht in das Nachbarland zu hindern. Es hätten bereits «viele Menschen» ihr Leben verloren.
Hilfskonvoi konnte nicht einreisen
Bereits vor zwei Tagen hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtet, Syrien würde an der Grenze zur Türkei Minen legen. Es habe auch zivile Opfer gegeben. Einem in der Türkei gestarteten Hilfskonvoi wurde heute ausserdem die Einreise nach Syrien verweigert. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, fuhr der aus drei Bussen und rund 30 Fahrzeugen bestehende «Konvoi der Freiheit» vom Flughafen Gaziantep im Südosten der Türkei bis zum 60 Kilometer entfernten türkischen Grenzort Kilis.
Dort eskortierten türkische Polizisten Aktivisten zu einem syrischen Zollposten, wo ihnen nach Angaben der Aktivisten beschieden wurde, dass es kein Durchkommen gebe. Am Konvoi hatten sich mehrere hundert Menschen beteiligt, grösstenteils Exil-Syrer. Die Hilfsgüter - unter anderem Nahrungsmittel, Getränke, Zelte und Schlafsäcke - sollen nach Angaben eines Organisators nun den Syrern in den Flüchtlingslagern in der Türkei zugutekommen. Ein erster Versuch, mit einem Hilfskonvoi von Gaziantep nach Syrien zu gelangen, war bereits im Januar gescheitert. Auch damals fehlte eine Genehmigung des syrischen Zolls.
Iran schickt Hilfsgüter
Auch der Iran hat 40 Tonnen medizinische Hilfsgüter nach Syrien geschickt. Das Material, darunter Medikamente und medizinische Geräte, sei in der Hauptstadt Damaskus dem Roten Halbmond übergeben worden, berichtete die Nachrichtenagentur Irna heute. Es handle sich um eine «Unterstützung aus Teheran für das befreundete Land», sagte der iranische Botschafter in Damaskus, Mohammed Reza Rau Sheibani.
Demzufolge sollen in naher Zukunft drei weitere Lieferungen mit Nahrungsmitteln, Zelten und Decken nach Syrien geschickt werden. Mit Blick auf die Oppositionsbewegung sprach der iranische Botschafter von «terroristischen Akten» gegen das syrische Volk. Auch die Führung um Staatschef Assad bezeichnet die Oppositionellen als «bewaffnete Terroristen».
Der Iran ist einer der letzten Verbündeten Syriens. Die Regierung in Teheran wirft den westlichen und arabischen Ländern vor, sich in die Angelegenheiten Syriens einmischen und Assad stürzen zu wollen, um die Gegner Israels in der Region zu schwächen.
UNO befürchtet Lebensmittel-Knappheit
Die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) warnt ausserdem vor einer sich verschärfenden Lebensmittel-Knappheit in Syrien. Die Getreideproduktion sei seit Beginn des Aufstands gegen Präsident Baschar al-Assad im März 2011 zehn Prozent niedriger als der Durchschnitt der vorhergehenden fünf Jahre, teilte die FAO mit.
Die Regenfälle hätten nach teilweise langen Dürreperioden spät eingesetzt und seien unregelmässig gewesen. Ausserdem hätten viele Bauern aus Sicherheitsgründen ihre Ernte nicht einbringen können. Die FAO und das Welternährungsprogramm (WFP) lassen derzeit nach eigenen Angaben 100'000 Menschen in Syrien Nahrungsmittelhilfen zukommen, vor allem in den Regionen Homs, Hama, Damaskus, Daraa und Idlib.
Angebliche E-Mails von Assad
Die britische Zeitung «The Guardian» berichtete, aus E-Mails von Assad, die sich Hacker beschafft hätten, gehe hervor, dass dieser zu Beginn des Aufstandes von der iranischen Führung den Rat erhalten habe, in seinen öffentlichen Auftritten Härte und Stärke zu demonstrieren.
Die ersten Reden Assads hatten damals massgeblich zu einer Radikalisierung der Protestbewegung beigetragen, die mit friedlichen Pro-Reform-Demonstrationen begonnen hatte.
Die E-Mails, deren Echtheit laut «Guardian» letztlich nicht zweifelsfrei überprüft werden kann, zeigen auch, dass eine Tochter des Emirs von Katar vergeblich versucht hatte, die Präsidentengattin Asma al-Assad für eine Exil-Lösung zu gewinnen.
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