Haftbefehl gegen Ghadhafi
Der Internationale Strafgerichtshof will den libyschen Machthaber, seinen Sohn Saif sowie den Chef des Geheimdiensts verhaften lassen. Das Gericht macht sie für den Tod Hunderter Demonstranten verantwortlich.
Knapp drei Monate nach dem Ausbruch der Unruhen in Libyen hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Haftbefehl gegen Muammar al-Ghadhafi beantragt. Dem libyschen Machthaber werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.
Auch sein Sohn Saif al-Islam sowie Geheimdienstchef Abdullah Senussi sollen festgenommen werden und sich vor dem internationalen Strafgerichtshof verantworten, verlangte der argentinische Staatsanwalt Luis Moreno-Ocampo in Den Haag.
Alle drei seien nicht nur politisch, sondern auch strafrechtlich verantwortlich für massenhafte Morde an regimekritischen Zivilisten, für Folter, die Verfolgung Unschuldiger und gezielte Vergewaltigungen, sagte Moreno-Ocampo.
«Ghadhafi erteilte Befehle persönlich»
Im Zusammenhang mit den Angriffen auf Demonstranten lägen der Anklagebehörde Belege für persönliche Befehle Ghadhafis vor, sagte Moreno-Ocampo. Auch gebe es direkte Hinweise, dass Al-Islam Söldner angeheuert und organisiert habe sowie für eine Beteiligung von Senussi an den Angriffen.
Tausende von Menschen seien in ihren Häusern attackiert worden, auf friedliche Demonstranten sei gefeuert worden, Scharfschützen hätten selbst auf Menschen geschossen, als sie nach dem Gebet Moscheen verliessen. «Diese Verbrechen gehen weiter, während wir hier versammelt sind», sagte der Chefankläger vor der internationalen Presse.
Er wirft den drei Verdächtigen vor, für den Tod von mindestens 500 bis 700 Demonstranten hauptverantwortlich zu sein. Auch der Einsatz schwerer und teils sogar verbotener Waffen - speziell Splitterbomben - gegen Zivilisten sowie gezielte Vergewaltigungen werden ihnen als Mittel zur Einschüchterung der Bevölkerung zur Last gelegt.
Richter entscheiden über Haftbefehl
Moreno-Ocampo begründete die Haftanträge in einem mehr als 70 Seiten umfassenden Dossier. Die Richter müssen jetzt die vorliegenden Beweise bewerten und entscheiden, ob ein Haftbefehl gegen die drei Libyer erlassen wird.
Die Führung in Tripolis gab sich gelassen. Derartige Haftbefehle werde man ignorieren, sagte der stellvertretende Aussenminister Chalid Kaim. Der Strafgerichtshof in Den Haag sei lediglich ein «Baby der Europäischen Union, um afrikanische Führer zu verfolgen».
Der IStGH hat keine Handhabe, selbst Verdächtige zu stellen. Libyen ist zudem kein Mitglied des Strafgerichtshofs und damit auch nicht verpflichtet, einem Haftbefehl Folge zu leisten.
Ghadhafi steht mit dem Rücken zur Wand
Wo sich Ghadhafi befindet ist unklar. Nach Ansicht des italienischen Aussenministers Franco Frattini sind die Stunden des Regimes jedoch gezählt.
«Wir haben dementsprechende Signale aus dem engen Kreis der Ghadhafi-Vertrauten erhalten», sagte Frattini in einem Fernseh- Interview am Montag. Enge Vertrauensleute Ghadhafis würden versuchen, einen Ausweg zu finden, um Ghadhafis Leben zu retten.
Offiziere mit Boot geflüchtet
In Libyen suchen offenbar immer mehr Militärs und Politiker das Weite. Tunesische Medien meldeten in der Nacht, drei Offiziere der libyschen Armee hätten sich mit einem Boot aus der Stadt al-Sawija nach Tunesien abgesetzt.
Zuvor hatte nach Angaben des Innenministeriums eine grössere Gruppe von Funktionären, darunter der Chef der Zollbehörde und ein Diplomat, die Grenze überquert. Es war aber nicht klar, ob die Politiker und Beamten, die zum Flughafen von Djerba fuhren, fliehen wollten oder ob sie im Auftrag Ghadhafis reisen.
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