Wenn Belästiger weinerlich werden
Harvey Weinstein kann nicht verstehen, dass mit ihm so streng umgegangen wird. Das hat er mit anderen gewalttätigen Männern gemein.

Der Mann aus Hollywood, der mit seinem Sexualverhalten Frauen gegenüber die #MeToo-Bewegung auslöste, war nicht als Regisseur oder Schauspieler aktiv, sondern als Produzent. Dennoch scheint Harvey Weinstein einiges über das Inszenieren gelernt zu haben. Das merkte man der Art an, wie er letzte Woche in New York vor Gericht trat: als alter, schwacher Mann. Er schleppte sich mit einem Rollator vor die Schranken, er schaute abwesend drein, er antwortete einsilbig, er sah bemitleidenswert aus. Dass er auf unschuldig plädierte, ist nur konsequent.
Nun hat der gramgebeugte Angeklagte nachgelegt. In einem Interview mit der Boulevardzeitung «New York Post» bezeichnete er sich als Förderer von Frauen. Er habe mehr Filme von Frauen mit Frauen unterstützt als jeder andere, sagte er. «Meine Arbeit ging vergessen durch all das, was passiert ist.» Damit meint er aber nicht sein Verhalten Frauen gegenüber, sondern die Berichterstattung darüber.
Sagt bis heute er sei unschuldig
Zwar ist der 67-Jährige noch nicht verurteilt, aber dass er sich während 30 Jahren an vielen Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen vergangen hat, seine Macht und ihre Abhängigkeit ausnutzend, lässt sich kaum bezweifeln. Zu zahlreich, zu drastisch, zu detailliert sind die Schilderungen der rund 80 Frauen, die sich von ihm massiv belästigt fühlten oder gar von Vergewaltigung sprachen.
Harvey Weinstein behauptet bis heute, er habe keine Frau vergewaltigt. Der Sex sei einvernehmlich erfolgt. Nun gehört diese Behauptung zum klassischen Abwehrdispositiv von Sexualstraftätern. Entweder sagen sie, auch die Frau habe Sex haben wollen, oder aber sie habe sie mit ihrem aufreizenden Verhalten zur Tat verführt.
Wenn Männer ihre Frauen schlagen, sagen viele nachher, sie seien aufs Blut provoziert worden. Wenn sie ihre Frau gar erdrosseln, wie das in einem Drittel aller häuslichen Morde geschieht, behaupten sie, die Frau sei halt auf harten Sex gestanden und ihr Tod ein Unfall gewesen. Diese Art von Erklärungsversuch wird vor Gericht immer häufiger formuliert.
Frauen sind schuld
Es sind also, wenn man den Rechtfertigungen solcher Männer zuhört, immer die Frauen schuld. Beziehungsweise die Männer unschuldig. Das findet auch Harvey Weinstein. So wie er sich im Interview mit der «New York Post» beschreibt, fragt man sich, ob er diese Wahrnehmung von sich selber glaubt. Die Journalisten der «Post» liessen sich nicht täuschen und beschrieben sein herrisches Aufbegehren jedes Mal, wenn ihm eine Frage nicht passte. Und das war jede Frage zu den Anschuldigungen gegen ihn.
Am 6. Januar beginnt in New York der Prozess gegen Weinstein wegen mehrfacher Vergewaltigung und schwerer Belästigungen. Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe. Bis zum Urteil gilt natürlich die Unschuldsvermutung.
Was gegen seine Unschuld spricht, ist die Entschädigungszahlung von umgerechnet knapp 25 Millionen Dollar, die er mit über 30 Frauen getroffen hat, um sie von einer Anklage abzuhalten. Für einen grossen Teil der Summe kommt die Versicherung seiner bankrott gegangenen Produktionsfirma auf.
Wenige Tage nach seinem gebrechlichen Auftritt vor Gericht wurde Harvey Weinstein übrigens beim Shoppen gesichtet. Ohne Rollator.
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