Aus Bolligen wird Bollingen
Im Kanton Bern werden Dutzende von Ortsnamen geändert – vorerst wird der Buchstaben «N» wieder eingesetzt. Die Harmonisierung treibt nun einen Keil durch die Region: Während Bolligen schon die ersten neuen Ortstafeln montiert hat, stemmt sich die Nachbargemeinde Ittigen gegen die neuen Richtlinien des Bundes.

Der Bund ändert im Kanton Bern Dutzende von Ortsnamen. Ende März ist die Referendumsfrist ungenutzt verstrichen, womit die neuen Richtlinien zur Ortsnamen-Harmonisierung (OHA) automatisch in Kraft gesetzt sind. «Harmonie von Düdingen bis Kreuzlingen – mit einem ,N‘ wird es gelingen.» Diese Devise des Bundesamtes für Landestopografie, Swisstopo, stösst nicht überall auf Zustimmung. Während Rudolf Burger, Gemeindepräsident von Bolli(n)gen, mit seiner Gemeinde die Pionierrolle übernimmt, will Beat Giauque, Amtskollege aus der Nachbargemeinde Itti(n)gen, die Richtlinien bekämpfen. Burger nennt verschiedene Gründe für seine positive Haltung: «In einer alten Urkunde von 1180 ist von ,Bollingin‘ die Rede, noch 1821 ist ein Register im Zivilstandsamt als ,Burger Rodel der Gemeinde Bollingen‘ betitelt. Es geht also darum, Geschichte wieder zu ihrem Recht kommen zu lassen.» Zudem habe sich beim Medienrummel um die Waldfrau gezeigt, dass deutsche Zeitungen oft den Namen Bollingen verwendet hätten. Er begrüsse darum die Änderungen, die bis Ende Jahr umgesetzt werden sollen. Natürlich bedeute das auch Mehrarbeit für die Angestellten der Gemeindeverwaltung: «Das Logo muss geändert werden, es braucht eine neue Internetadresse, die Beschriftung der Gemeindefahrzeuge muss angepasst werden.» Burger rechnet mit Kosten von 88000 Franken, die aber im Budget «der gut gestellten Gemeinde» problemlos Platz fänden. Gegen NamensgleichmachereiBeat Giauque schüttelt dagegen den Kopf: «Es ist eine Schnapsidee.» Für die ablehnende Haltung nennt er vor allem einen Grund: Die Verwechslungsgefahr. «Ittingen gibt es schon in der Ostschweiz. Wir sind keine Kartause. Es braucht keine Namensgleichmacherei.» Den Vorschlag zur Güte der Kantonalen Nomenklaturkommission, den Zusatz Swisscom in Klammern an den Gemeindenamen anzufügen, lehnt Giauque ab. «Der Name sollte ein Unikat sein und nicht mit einem Zusatz versehen werden müssen.» Auch Ostermundigen ist mit dem neuen Namen nicht glücklich: «Ostermundingen, da könnten wir uns ja gleich Ostermunsachen nennen», ärgert sich Gemeindepräsident Christian Zahler. Der «Bund» legt ihm den Eintrag aus Meyers Konversationslexikon aus dem Jahr 1888 vor: «Ostermundingen, kleiner Ort in der Nähe von Bern, bekannt durch die in grossem Massstab ausgebeuteten Sandsteinbrüche, welche (seit 1871) mit der Bahnstation Ostermundingen (Linie Bern–Luzern) durch eine Zweigbahn verbunden sind.» Auch der grosse deutsche Komponist Johannes Brahms reiste über«Ostermundingen», wenn er von Thun aus seinen Freund und «Bund»-Redaktor Josef Viktor Widmann in Bern besuchen wollte (siehe «Kleiner Bund» vom 28. März). Historisch sei es möglicherweise sogar korrekt, sagt Zahler, er lässt sich aber nicht beirren. «Unterdessen hat sich eine neue Schreibweise eingebürgert.»In Vechi(n)gen ist man erbostDie Gemeinde Vechi(n)gen ist in Sachen Umbenennungen ein gebranntes Kind: Bereits letztes Jahr sei die Adressbezeichnung «Vechigen» verboten worden, sagt Gemeindepräsident Walter Schilt. In 28 Fällen musste die Strassenbezeichnung in «Vechigen-Dorf» abgeändert werden. Schilt spricht von «unnötigen Übungen, die nur Zeit, Geld und Nerven kosten». Wahrscheinlich müsse in einem zweiten Schritt auch noch Utzigen in Utzingen umgetauft und damit an den Nachbarweiler Radelfingen und an Boll-Sinneringen angeglichen werden, vermutet Schilt. «Und was kommt als Nächstes? Muss ich mich Schild schreiben?», fragt Vechi(n)gens Gemeindepräsident ungehalten. Allerdings: Auch Vechingen ist vielfach verbürgt. Eine Karte von Thomas Schoepf von 1578 zeigt die Schreibweisen «Vechingen» und «Utzingen». Itti(n)gens Gemeindepräsident Beat Giauque sagt, er würde im Rahmen der Regionalkonferenz gegen die Massnahmen kämpfen und nötigenfalls prozessieren bis vor Bundesgericht. Doch die Änderungen können gar nicht vor Gericht angefochten werden, heisst es doch in den Bestimmungen klipp und klar: «Gegen den Genehmigungsentscheid ist die Beschwerde an den Bundesrat zulässig. Dieser entscheidet endgültig» (Art. 17). Der Bundesrat dürfte das Prinzip der Harmonisierung über lokalpolitische Befindlichkeiten stellen. Zurück zur Einheitsgemeinde?Da seine Amtskollegen in Ostermundi(n)gen und Itti(n)gen mit der Neuerung nicht einverstanden sind, schlägt Rudolf Burger vor, die Teilung der Viertelgemeinden, die erst 26 Jahre zurückliegt, rückgängig zu machen. «Dann heisst die Gemeinde einfach Bollingen», sagt er. «Ostermundigen und Ittigen gäbe es als eigenständige Gemeinden nicht mehr.»
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