Auf Knien an die Macht
Der saudische König hat seinen Lieblingssohn zum Thronfolger gemacht und beendete damit den Kampf um die Führung. Doch es gibt grössere Probleme: der Iran, Katar und nun die USA.
Die Nächte im Ramadan sind lang in Saudiarabien; bis Sonnenaufgang sitzen die Menschen zusammen und bereiten sich mit einem üppigen Frühstück auf das Fasten des nächsten Tages vor. Als sie am Mittwoch erwachten, war ihr Königreich ein anderes als am Abend zuvor. Die Staatsmedien berichteten von einem Dekret des Königs, mit dem er die Thronfolge ändert, zum zweiten Mal, seit er im Januar 2015 gekrönt worden war. Zum Kronprinzen ernannte der 81-jährige Monarch seinen erst 31 Jahre alten Lieblingssohn Mohammed bin Salman, schon bisher der starke Mann in Riad. Entmachtet hat er den bisherigen Thronfolger Mohammed bin Nayef (57), der auch seine Ämter als Vizepremier und Innenminister abgeben muss.
31 der 34 Mitglieder des Thronrates hätten bei einem Treffen am frühen Morgen im Al-Safa-Palast von Mekka der Entscheidung zugestimmt. Prinz Mohammed bin Nayef selbst habe sie in einem Brief an den König befürwortet. Das Fernsehen zeigte, wie der bisherige Kronprinz seinem Nachfolger die Treue gelobt. Der neue Thronfolger ging vor ihm auf die Knie und küsste die Hand seines Cousins, der bislang als Gegengewicht galt zum oft nur mit seinen Initialen MbS genannten Königssohn. Mohammed bin Nayef genoss Rückhalt bei älteren Prinzen und konservativeren Mitgliedern der königlichen Sippe. Auch Teile des ultrakonservativen religiösen Establishments suchten seine Nähe.
Der König beendete mit seiner Entscheidung einen Machtkampf. Er sichert sie ab mit der Ernennung einer Reihe neuer Berater, mit der er zugleich den Generationswechsel weiter beschleunigt, viele der nun benannten Prinzen sind noch keine 40 Jahre alt. Die Beförderung des Königssohns war seit längerem vorbereitet worden. Bereits die Kabinettsumbildung im April kam einer Entmachtung von Prinz Mohammed bin Nayef nahe: Ein neues Sicherheitszentrum wurde installiert und damit eine Kernkompetenz des Innenministeriums ausgehöhlt. Zugleich berief der König Generalmajor Ahmad Asiri zum stellvertretenden Geheimdienstchef, dem wichtigsten Berater seines Sohnes.
Direkter Draht zu Trump
Mohammed bin Nayef hatte sich als Kämpfer gegen al-Qaida und später die Terrormiliz Islamischer Staat einen Namen gemacht. Er wusste nur zu gut um die Gefahr, die von ihnen auf das Haus Saud ausgeht, eine der letzten absoluten Monarchien der Welt. 2009 hatte sich ein Attentäter aus den Reihen von al-Qaida in sein Privathaus eingeschlichen, angeblich um sich zu stellen. Als der Prinz ihn begrüsste, zündete er eine Bombe. Mohammed bin Nayef galt auch als wichtigster Kontaktmann der Amerikaner in Riad. Nun aber hat Mohammed bin Salman bei seinem Besuch im Weissen Haus im März einen direkten Draht zu Präsident Donald Trump geknüpft. Sein jüngerer Bruder, der Kampfpilot Khalid bin Salman, wurde zum Botschafter in Washington ernannt. Und der neue Innenminister, Prinz Abdul Aziz bin Saud bin Nayef, wird ihm ergeben sein.
Mohammed bin Salman steigt zum stellvertretenden Regierungschef auf und behält seine bisherigen Ämter. Als Verteidigungsminister ist er massgeblich verantwortlich für die Isolierung Katars, auch gibt er den harten Kurs gegenüber dem Iran vor. Saudiarabien mit den heiligen Stätten von Mekka und Medina sei das primäre Ziel des schiitischen Rivalen jenseits des Golfs, sagte er. Man werde nicht warten, bis die Schlacht ins Königreich komme, sondern werde sie in den Iran tragen.
Die iranische Führung hat im Gegenzug Saudiarabien für den Doppelanschlag der IS-Terrormiliz Anfang Juni mit 18 Toten verantwortlich gemacht und mit Vergeltung gedroht. Eskalationspotenzial hat ein Zwischenfall vom vergangenen Freitag: Nach saudischer Darstellung hatten drei Boote der iranischen Revolutionsgarden versucht, ein Ölfeld vor der saudischen Ostküste anzugreifen; drei iranische Soldaten seien verhaftet und ein Boot aufgebracht worden. Beladen gewesen sei es mit Waffen und Sprengstoff. Der Iran hatte dagegen behauptet, zwei Fischerboote seien wegen der rauen See versehentlich in saudische Hoheitsgewässer geraten. Die saudische Küstenwache habe auf sie geschossen und einen Fischer getötet.
Mohammed bin Salman scheint freie Hand zu haben.
Im Konflikt mit Katar gerät Riad indes unter Druck: Die Sprecherin des US-Aussenministeriums rüffelte, man sei «perplex», dass Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate «weder der Öffentlichkeit noch den Katarern» mitgeteilt hätten, was sie ihnen vorwerfen. Mit jedem Tag stelle sich mehr die Frage, ob es wie behauptet um Terrorunterstützung gehe oder «vielmehr um lange schwelende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Golfstaaten». Katar versucht sich seit Mitte der 90er-Jahre mit einer eigenständigen, oft rücksichtslosen Aussenpolitik dem Einfluss seines grossen Nachbarn zu entziehen.
Das Embargo gegen das Emirat nehmen Diplomaten in der Region als jüngsten Beleg für den Einfluss, den der Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed (56), als eine Art Mentor auf den saudischen Prinzen hat. MbS und MbZ gelten als das neue Führungsduo am Golf, ambitioniert, entschlossen, skrupellos wo nötig. Die beiden verbindet die Ablehnung des politischen Islam der Muslimbrüder und gewisser ultrakonservativer gesellschaftspolitischer Ansichten der mächtigen Salafisten. Auch Mohammed bin Salmans mutiger, aber umstrittener Plan zum Umbau der saudischen Wirtschaft gemahne an das emiratische Vorbild, heisst es. Stand bislang die Frage im Raum, ob diese Agenda bei einem Thronwechsel rückgängig gemacht werde, sei jetzt klar, dass Mohammed bin Salman freie Hand hat.
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