Auf den Spuren von Berns ersten Siedlern
Wie ehemals bevölkerten am Wochenende Kelten und Gallorömer die Engehalbinsel – gespielt von Studierenden der Universität Bern.
1500 Menschen wohnten einst den Vorführungen im birnenförmigen Theater auf der Engehalbinsel bei. Nun, 2000 Jahre später, steht gleich davor die Matthäuskirche, und zwanzig Interessierte wollen mehr erfahren über das «Ur-Bern», Bernodurum, das Bern der Kelten und später der gallorömischen Berner. Eingeladen hat die Universität Bern, genauer: Das Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie der Stadt Bern. Der Ausgang des Theaters richte sich nicht zufällig gegen Nordosten, erklärt Othmar Wey, Assistent des Instituts: In dieser Richtung, auf dem Feld hinter dem nächsten Gebäude, standen einst drei gallorömische Tempel. Zwischen Bühne und Tempeln fanden wohl Prozessionen statt. Im Reichenbachwald trifft die Gruppe kurz darauf auf zwei Frauen, adrett gekleidet, wohl beide Anfang 20, zum Markt unterwegs mit zwei Eseln. Dass diese Frauen zusammen daherkommen, ist historisch bemerkenswert: Die eine trägt keltische Kleidung, die andere gallorömische – es trennt sie also eine Zeitspanne von vielleicht 200 Jahren. Auch der vertraute Umgang der keltischen Dame mit ihrem Paarhufer erstaunt, denn Esel sollte sie gar nicht kennen. Diese Tiere wurden erst unter den Römern genutzt, die Kelten waren mit Pferden und Maultieren unterwegs. Unklar ist auch, wie zutreffend das Gewand der Studentin ist, welche die Keltin verkörpert: Wie die Kelten bekleidet waren, weiss man nur ungefähr.
Erst Tiefenau, dann Hochplateau
Das Hochplateau des Engemeisterfeldes wurde erst nach der Eroberung des Gebietes durch die Römer besiedelt, 50 Jahre vor Christi Geburt etwa. 200 Jahre vorher hatten sich die Kelten im Bereich der heutigen Tiefenau ihr Oppodium, ihre Siedlung, gebaut. Brenodurum entwickelte sich zu einem Zentrum der Helvetier, wie die hiesigen Kelten genannt werden. Heute sind, abgesehen vom Theater und der römischen Badeanstalt (Bund vom 10.September), im Reichenbachwald nicht mehr viele Zeichen der Besiedelung um Christi Geburt zu erkennen. Den einen halben Meter hohen Erdwülsten oben am Aarebord ist nicht mehr anzusehen, was sie einst waren: Sechs Meter hohe Wälle, gefertigt aus Erde und Holzpfosten, die mit langen Eisennägeln zu Gerüsten gezimmert wurden. Die Aare hat seither ihre Schlaufe weiter ins Tal gegraben und dabei den Wall mit den Jahren abgetragen. Einige Schätze verbergen sich wohl heute noch im Boden der Engehalbinsel. «Das archäologische Institut macht das, was anfällt», sagt Wey. Das heisst: Das Institut gräbt kaum selbst, sondern analysiert, was sowieso zutage kommt. Zum Beispiel, wenn ein neues Gebäude in der Tiefenau gebaut wird – oder wenn ein Wirbelsturm, wie vor zehn Jahren Lothar, die Bäume samt Wurzeln aus dem Boden reisst. Bei dieser Gelegenheit wurden Überreste von Mauerzügen gefunden, die aus der Zeit der Römer stammen. Die Kelten hatten ausschliesslich mit Holz gebaut, nach einem Brand um 70 n. Chr. wurden die Häuser aus Stein und Mörtel wieder errichtet.
«Potenzial wird wenig genutzt»
«Hier wird eine grosse Chance verpasst», sagt Professor Werner E. Stöckli, Direktor des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie der Römischen Provinzen an der Universität Bern. Die Engehalbinsel müsste aus seiner Sicht besser gepflegt und gründlicher erforscht werden, denn schliesslich «liegt hier das alte Bern». In Bern gebe es ein starkes Geschichtsbedürfnis, jedoch scheine dies auf die Zeit nach der Gründung durch die Zähringer im Jahre 1191 beschränkt zu sein. Warum sich die Zähringer damals nicht für die Engehalbinsel entschieden, ist nicht klar. Stöckli vermutet als einen der Hauptgründe, dass sich das Gebiet der heutigen Altstadt besser für den Betrieb von Wassermühlen eignete. Weil die Engehalbinsel seit dem Abzug der Römer wenig bebaut wurde, könnten hier laut Stöckli wohl noch einige archäologische Trouvaillen ausgegraben werden.
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