Auch Finanzkommission taxiert Reitschul-Initiative als ungültig
Die Finanzkommission beantragt dem Grossen Rat, die Reitschul-Initative als ungültig zu erklären.

Der bernische Grosse Rat soll die Reithalle-Initiative der Jungen SVP für ungültig erklären. Dies fordert die grossrätliche Finanzkommission (Fiko) nach Analyse zweier sich widersprechender Gutachten. Das von der Finanzdirektion in Auftrag gegebene Gutachten des Zürcher Professors Giovanni Biaggin kam zum Schluss, die Initiative sei ungültig. Die Initiative «Keine Steuergelder für die Berner Reithalle!» verletze das Gebot der Rechtsgleichheit, geht aus dem Zürcher Gutachten hervor.
Auch würde ein Ja zur Initiative die Entscheidungsfreiheit der Stadt Bern in einem Bereich beschränken, der durch die Gemeindeautonomie geschützt sei. Ein von den Initianten bei einem Lausanner Professor eingeholtes Gutachten hält die Initiative für gültig. Die Initianten wollen am Dienstagnachmittag nähere Erläuterungen zur Lausanner Expertise abgeben.
Die Finanzkommission des Grossen Rates hat sich mit beiden Gutachten befasst und unter anderem auch die Initianten angehört. Eine Mehrheit der Kommission gewichtet die Argumente des Zürcher Gutachtens höher, wie die Fiko in einer Mitteilung vom Dienstag schreibt. Die Kommission beantragt dem bernischen Grossen Rat deshalb, die Initiative für ungültig zu erklären.
Hebel Lastenausgleich
Die Reitschul-Initiative der Jungen SVP - eigentlich eine Anti-Reitschul-Initiative - kam im April 2016 formell zustande. Sie verlangt, dass Gemeinden, in denen «Anlagen oder Einrichtungen, von denen notorisch Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen», über den kantonalen Finanz- und Lastenausgleich (Filag) bestraft werden.
Konkret sollen also Gemeinden wie die Stadt Bern, welche solche Einrichtungen dulden, im Finanzausgleich schlechter gestellt werden. Für Bern würden jährlich rund 54 Millionen Franken wegfallen.
Entscheid in März-Session
Eine Minderheit der Kommission hat indessen Zweifel an den Argumenten für die Ungültigkeit und möchte die Initiative dem Stimmvolk unterbreiten. Sollte das Parlament die Initiative entgegen dem Willen der Fiko und des Regierungsrats für gültig erklären, dann würde die Kommission «mit klarer Mehrheit» deren Ablehnung beantragen, wie es in der Mitteilung weiter heisst.
Mit der Initiative will die Junge SVP erreichen, dass Gemeinden weniger Geld aus dem kantonalen Ausgleichstopf erhalten sollen, wenn sich auf deren Gebiet Einrichtungen befinden, «von denen notorisch konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen». Im Visier hat sie dabei die Reitschule in der Stadt Bern. In der Stadt Bern sind Initiativen zur Schliessung der Reitschule bereits mehrfach an der Urne gescheitert. Die Stadtbernerinnen und Stadtberner stellten sich jeweils deutlich hinter das umstrittene Kulturzentrum.
Deshalb nahm die Junge SVP nun einen Anlauf auf kantonaler Ebene, um der Stadt Bern den Geldhahn zuzudrehen, solange sie die Reitschule duldet. Die kantonale Initiative wurde Anfang April 2016 mit über 17'500 Unterschriften eingereicht - nötig wären 15'000.
Der bernische Grosse Rat entscheidet in der kommenden März-Session über die Gültigkeit der Initiative.
Notfalls vor Bundesgericht
Am Dienstag traten auch die Urheber dieser Initiative an die Öffentlichkeit: Der Präsident der JSVP des Kantons Bern, Erich Hess, sagte vor den Medien in Bern, die Fiko hätte an sich rein rechtlich entscheiden müssen. Sie habe aber einen politischen Entscheid getroffen.
Sowohl Fiko als auch Regierungsrat hätten Angst, dass die Reitschul-Initiative vom Volk angenommen würde. Deshalb solle sie für ungültig erklärt werden. Wenn dies geschehe, werde die JSVP vor Bundesgericht ziehen.
Der logische Schluss aus den sich widersprechenden Gutachten wäre, dass die Initiative gemäss dem Grundsatz «im Zweifel vors Volk» dem Souverän vorgelegt würde: Das sagte JSVP-Vizepräsident Patrick Freudiger. So fordere es der Kommentar zur Berner Verfassung.
Wenn die Fiko dies nicht tue, sei dies verfassungswidrig, steht in einer Mitteilung der JSVP vom Dienstag.
Vorbild «Rettet das Lavaux»
Freudiger, selber Jurist, warf Biaggini auch handwerkliche Mängel vor: Dass der Zürcher Jurist das Bundesgerichtsurteil zur «Rettet das Lavaux»-Volksinitiative von Franz Weber in seinem Gutachten nicht erwähne, zeuge von handwerklichen Mängeln. Mit dieser Initiative wurde die Reblandschaft am Genfersee unter Schutz gestellt. Die Waadtländer Regierung beantragte 2009 dem Grossen Rat, wegen angeblicher Verstösse gegen das eidgenössische Raumplanungsgesetz diese Initiative für ungültig zu erklären. Das Parlament widersetzte sich diesem Antrag und wurde später vom Bundesgericht gestützt.
Etienne Grisel hatte in einem Gutachten die Gültigkeit der Initiative bejaht. Freudiger wies am Dienstag vor den Medien ausdrücklich auf diesen Bundesgerichtsentscheid hin. Grisel ist laut Hess parteilos.
SDA/mer
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