Bedrohter LebensraumAuch der Ozean erlebt eine Hitzewelle
Seit Mai herrschen zwischen Spanien und Griechenland teils extreme Wassertemperaturen. Das könnte ein Massensterben von Arten zur Folge haben – und verschlimmert auch die Lage an Land.

Wer gerade in Mallorca urlaubt und sich im Meer abkühlen will, könnte enttäuscht werden – viel Erfrischung ist in 29 Grad Celsius warmem Wasser womöglich nicht zu erwarten. Ähnlich ist es vor Korsika, Sizilien und Tunesien, wo die Wassertemperaturen gerade an der 30-Grad-Marke kratzen.
Während Touristen und Einheimische in Südeuropa seit Wochen unter einer nicht enden wollenden Hitze ächzen und die Wälder vor allem Spaniens und Frankreichs brennen wie lange nicht mehr, ist eine weitere Hitzewelle weitgehend unbemerkt geblieben: Die Temperaturen im westlichen Mittelmeer sind seit Monaten fast durchgehend zu hoch.
Die Oberflächentemperaturen hätten im Juli um drei bis vier Grad über dem langjährigen Durchschnitt für diesen Monat gelegen, in manchen Regionen «oberhalb von fünf bis sechs Grad», sagt Francisco Pastor vom Mediterranean Centre for Environmental Studies (CEAM) in Valencia, das die Meerestemperaturen beständig beobachtet. Besonders betroffen scheinen vor allem die Gewässer vor den Balearen, Südfrankreich sowie Norditalien zu sein. Das östliche Mittelmeer ist dagegen weitgehend verschont geblieben.
Hitzewellen können zu Massensterben von Arten führen
Ganz genau werde man es erst Anfang August wissen, wenn der Juli ausgewertet ist, so Pastor. Sicher ist aber, dass Werte im westlichen Mittelmeer, wie sie gerade verzeichnet werden, üblicherweise erst in der ersten Augusthälfte gemessen werden, wenn das Meer sich jahreszeitlich betrachtet am stärksten erwärmt hat – und selbst im August wären die jetzigen Temperaturen noch hoch.
Ungewöhnlich ist auch, dass es sich bereits um die dritte marine Hitzewelle in diesem Jahr handelt, nach zwei vorherigen im Mai und im Juni. «Dass wir nicht nur im Sommer, sondern schon im Frühling solche Ereignisse sehen, ist neu», sagt die Ozeanografin Mélanie Juza vom Balearic Islands Coastal Observing and Forecasting System (SOCIB), einer spanischen Regierungsbehörde. Die drei Hitzewellen seien nicht nur sehr intensiv gewesen, sondern hätten auch jeweils sehr lange gedauert. Wann die gegenwärtige vorbei sein wird, lasse sich noch nicht sagen. Laut den Modellen, die Juza verwendet, wird sich die Meereshitzewelle aber mindestens bis zum 5. August fortsetzen.

Für die Pflanzen- und Tierwelt des Mittelmeers seien das «sehr schlechte Nachrichten», sagt Juza. Mit einer Hitzewelle während einiger Tage könnten viele Spezies zwar umgehen. Wenn die Hitze aber über längere Zeit anhalte so wie derzeit, könnten viele Arten an ihre Belastungsgrenze geraten. Ein Beispiel ist das nur im Mittelmeer heimische Neptungras, das als Lebensraum für viele Arten dient und zudem grosse Mengen Kohlenstoff bindet. Die Pflanze verträgt jedoch keine grossen Temperaturschwankungen, oberhalb von 27 Grad beginnen die Seegraswiesen laut Juza abzusterben.
Marine Hitzewellen führten oft zu Massensterben von Arten, die nicht mobil sind, wie zum Beispiel Schwämme, sagt Lorine Behr von der Universität Giessen. In Küstengebieten könne dies Auswirkungen auf den Fischfang haben. Im Projekt «Eastern Mediterranean Marine Heatwaves» untersucht die Doktorandin gemeinsam mit Kollegen derzeit, wie Hitzewellen im Meer entstehen und wie Ozean und Atmosphäre dabei interagieren. Behr geht davon aus, dass es sich noch um die gleiche Hitzewelle wie Mitte Juni handelt, die Hitze im Meer also seit rund sechs Wochen andauert.
Marine Hitzewellen haben Einfluss auf Küstengebiete
Als Grund für die extremen Temperaturen vermuten die Wissenschaftler prinzipiell ähnliche Mechanismen wie bei Hitzewellen an Land: eine Kombination aus anhaltenden atmosphärischen Hochdrucksystemen, hoher Sonneneinstrahlung, wenig Niederschlag und schwachen Windgeschwindigkeiten. «Daher ist die marine Hitzewelle sehr wahrscheinlich durch die andauernde atmosphärische Hitzewelle ausgelöst worden», sagt Behr.
Francisco Pastor betont, dass marine Hitzewellen umgekehrt auch auf die Küsten und somit den Menschen rückwirken. Üblicherweise dämpft eine Brise vom Meer her die grössten Temperaturausschläge an Land während des Tags etwas ab und kühlt die Luft während der Nacht. Ursache dafür ist laut Pastor aber der Temperaturunterschied zwischen Land und Meer, hohe Wassertemperaturen lassen den kühlenden Wind also eher ausbleiben. «Dadurch können die Temperaturen am Tag steigen, während der nächtliche Effekt verloren geht», sagt Pastor. Damit könne eine marine Hitzewelle eine atmosphärische Hitzewelle in Küstengebieten noch verstärken.
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