Explosion im Hafen von BeirutAnklage gegen libanesischen Premier erhoben
Vier Monate nach der Katastrophe im Hafen von Beirut hat ein Ermittlungsrichter Anklage gegen den amtierenden Regierungschef Hassan Diab und drei frühere Minister erhoben.

Mehr als vier Monate nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut hat ein libanesischer Ermittlungsrichter Anklage gegen den amtierenden Regierungschef Hassan Diab und drei frühere Minister erhoben.
Ihnen werde Fahrlässigkeit und Mitschuld an der grossen Zahl der Opfer gegeben, hiess es am Donnerstag aus Justizkreisen in der Hauptstadt. Die vier Beschuldigten sollen nächste Woche zu den Vorwürfen befragt werden. Danach fällt die Entscheidung, ob sie vor Gericht müssen.
Bei der Explosion am 4. August waren mehr als 190 Menschen getötet und mehr als 6000 verletzt worden. Grosse Teile des Hafens sowie der umliegenden Wohngebiete wurden stark zerstört. Ausgelöst worden sein soll die gewaltige Detonation durch grosse Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat, die über Jahre ungesichert im Hafen gelagert worden waren. Kritiker werfen der Regierung vor, davon gewusst, aber dennoch nichts dagegen unternommen zu haben.

Neben Diab wurde die Anklage auch gegen den früheren Finanzminister Ali Hassan Chalil sowie zwei ehemalige Minister für Öffentliche Arbeiten erhoben. Der Ministerpräsident und seine Regierung hatten kurz nach der Explosion ihren Rücktritt erklärt und sind nur noch geschäftsführend im Amt. Dem mit der Regierungsbildung beauftragten Politiker Saad Hariri ist es bislang wegen interner Machtkämpfe nicht gelungen, ein neues Kabinett zu bilden.
Der Libanon erlebt seit vorigem Jahr eine der schwersten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte und braucht dringend ausländische Hilfe. Die Corona-Pandemie und die Explosion haben die Lage weiter verschärft.
Wozu eine Regierung im Libanon? Weder der libanesische Premier noch der Präsident führen das Land. Es ist der Chef der Hisbollah, der die nationale Politik des Libanon entscheidend beeinflusst, im eigenen Interesse. Ohne Hassan Nasrallah läuft im Libanon nichts. Der Chef der Hisbollah bekleidet zwar keine politischen Ämter, aber in den wichtigen Ministerien führen seine Anhänger bedingungslos seine Befehle aus. Dabei geht es für ihn, den tief gläubigen Schiiten, stets auch um Religion. H. Nasrallah ist überzeugt, dass der schiitische Islam die Probleme jeder Gesellschaft lösen könne. Dass der Libanon allerdings jetzt auf den Abgrund zusteuert, ist vor allem das Resultat seiner Hisbollah.