Als Glättli und Tuena erstmals stritten
Déjà-vu bei «Züri autofrei»: Vor genau 20 Jahren kam eine gleichnamige Initiative zur Abstimmung. Es war der Beginn der Karriere zweier bekannter Nationalräte.

«Züri autofrei»: So nennt sich die Volksinitiative, welche die Jungsozialisten soeben lanciert haben (TA von gestern). In sechs Monaten müssen sie 3000 Unterschriften zusammenbringen. Ziel des Volksbegehrens ist es, den motorisierten Individualverkehr radikal zu reduzieren.
Eine gleichlautende Initiative beschäftigte Zürich bereits vor 20 Jahren. Anfang 1997 warf der Abstimmungskampf um «Züri autofrei» teils hohe Wellen. Die Volksinitiative verlangte eine Änderung der Gemeindeordnung mit dem Zweck, den Autoverkehr auf Stadtgebiet stark zu reduzieren. Lanciert hatte das Volksbegehren die aus dem Umkreis von Jungsozialisten und Grünen entstandene Gruppe «Züri autofrei!». Sie hatte davor bereits mit Strassensperren von sich reden gemacht. SP, Grüne und AL unterstützten die Initiative. Alle anderen im Gemeinderat vertretenen Parteien und der Stadtrat lehnten sie ab.
«Rückschritt in die Steinzeit»
Die Befürworter, die sich ein Zeichen gegen unerwünschte Auswirkungen des Verkehrs erhofften, konnten auf prominente Unterstützung zählen: «Die Initiative ist ein Verzweiflungsschrei derer, die im Verkehr ersticken. Dieser Schrei sollte gehört werden und Folgen haben», meinte der Schriftsteller Franz Hohler. Gegner befürchteten eine deutlich verschärfte Gangart gegen den Autoverkehr und sprachen von einem Etikettenschwindel: Die Initiative könne sich aus rechtlichen Gründen nur auf Quartierstrassen auswirken, während Hauptund Nationalstrassen, auf denen der allergrösste Teil des Autoverkehrs rollt, davon unberührt blieben. Die NZZ warnte vor einem «Rückschritt in die verkehrspolitische Steinzeit».
Mittendrin im Abstimmungskampf: die Jungpolitiker Mauro Tuena (SVP) und Balthasar Glättli (Grüne), beide damals 25-jährig. Sie trafen auf Podien zu «Züri autofrei» aufeinander, wo Glättli als Sprecher der Initianten für die Initiative warb, während Tuena dagegenhielt. «Bei dieser Vorlage lernten Balthasar und ich uns kennen, es war eine der ersten Vorlagen, bei denen wir zwei Jungpolitiker uns engagierten», erinnert sich Tuena.
Mittlerweile sind die beiden vom Zürcher Stadtparlament in den Nationalrat aufgestiegen, wo sie sich – wie diese Woche – mit gewichtigen Themen wie der Rentenreform befassen. Dennoch fanden die beiden am Mittwochabend, kurz nach Bekanntwerden der Juso-Initiative, Zeit für einen Gedankenaustausch zur damaligen Initiative. Tenor des Gesprächs laut Tuena: «Weisch no? So haben wir mit Politisieren begonnen.»
38 Prozent Ja
Am 2. März 1997 lehnten die Stimmberechtigten «Züri autofrei» mit 45'515 Nein gegen 27'929 Ja ab. Allerdings hatten nicht weniger als 38 Prozent der Stimmenden ein Ja in die Urne gelegt. Damit schnitt die Initiative besser ab als zuvor ähnliche Vorstösse in Luzern und St. Gallen. Die Kreise 1, 4 und 5 nahmen die Initiative gar an, während die klarste Abfuhr aus dem Kreis 12 kam. Nach der Abstimmung zeigte sich «Züri autofrei»-Sprecher Glättli zufrieden: 38 Prozent Ja-Stimmen seien «mehr als nur ein Achtungserfolg». Und: «Gute Ideen brauchen immer mehrere Anläufe.» Spontan hat Glättli auch heute grundsätzlich Sympathien für das Anliegen. Allerdings: «Wenn wir heute die Armeeabschaffungsinitiative wiederholen würden, dann hätte sie ein schlechteres Resultat und nicht mehr den tollen Überraschungseffekt. Das wird auch hier so sein.»
Tuena hält wenig vom Revival: «Ein überflüssiger PR-Gag.» Zudem sei es Augenwischerei: Ein grosser Teil der Zürcher Strassen liege im Kompetenzbereich des Kantons, die Rosengartenstrasse, die Hardbrücke oder die Nordstrasse liessen sich nicht einfach durch eine städtische Initiative sperren, betroffen wären höchstens kleine Quartierstrassen. Und: «Auch Linke sind froh, dass der Handwerker oder Techniker schnell mit dem Auto zu ihnen kommt.»
Für Juso-Vorstandsmitglied Nicola Siegrist zeigt das Ergebnis von 1997, dass «so etwas Visionäres» doch einen beachtlichen Teil der Zürcher Bevölkerung zu überzeugen vermöge.
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