«Als Festivalleiterin muss ich die Hemmungen ohnehin fallen lassen»
Konzerte im warmen Regen, Blitzschlag ins Münster und Applaus für die Feuerwehr: Buskers-Leiterin Christine Wyss gibt Tipps und blickt auf die ersten Festivaltage zurück.

Ausgerechnet am Buskers-Samstag regnet es. Was nun?
Es kommt gut. Laut Radar ist die Regenfront vorüber. Dieses Wetter ist für das Festival sogar ideal. Die Leute sind nicht in der Badi und in den Gassen ist es nicht zu heiss, so wie am Freitag. Es war tropisch. Als der Regen begann, spielten die Künstler unter den Lauben und das Publikum blieb. Vor dem Schlachthaus standen etwa 300 Personen im warmen Regen und liessen sich von der Flamenco Truppe Alikindoi in Bann ziehen. Es war wahnsinnig. Fünf Akrobatik-Acts mussten wir allerdings absagen. Das Risiko für die Künstler wäre zu gross gewesen. Schliesslich schlug ein Blitz gleichzeitig ins Münster und in den Turm von Sankt Peter und Paul ein. Zwei Barmitarbeiter erhielten einen leichten Stromschlag und auf dem Münsterplatz roch die Luft ‹schmürzelig›. Die Stimmung blieb aber gut. Als die Feuerwehr mit der langen Leiter den Münsterturm inspizierte, klatschte die Menge.
Geniessen Sie eigentlich zwischendurch einen Act oder rennen Sie nur herum?
Bis jetzt konnte ich noch keinen Act in voller Länge geniessen. Ich besuche sie zwar alle, bin aber zwei Minuten hier und zwei Minuten dort. Und ich bin vor allem mit einem logistischen Blick unterwegs. Ich hoffe aber, dass ich heute doch noch die Zeit finde, mir ein paar Vorstellungen richtig anzusehen.
Welche denn?
Ich will unbedingt Martin Harley und Cekka Lou sehen. Harley ist eine gestandene Grösse aus England, und Cekka Lou ist eine Italienerin, die aussieht wie Amy Winehouse. Die beiden spielen Blues. Auch das Akrobatik-Duo Kaos und Tripotes La Compagnie, die sich mit einer Wippe gegenseitig durch die Luft spicken, möchte ich mir anschauen. Schliesslich interessiert mich der nordische Folk von Vesselil.
Und auf der Münsterplattform werden Sie sich eine schrille Frisur machen lassen?
Das habe ich in den letzten 15 Jahren nur einmal geschafft. Aber ich werde mir meine Medienmitteilung für Sonntag am Textkiosk schreiben lassen. Vielleicht könnte ich auf der ‹Pläfe› noch ein paar Hemmungen metzgen. Doch wenn ich es mir recht überlege, sollte ich wohl besser eine Massage suchen, denn als Festivalleiterin muss ich die Hemmungen ohnehin fallen lassen.
Wenn Sie uns nun noch einen Foodstand empfehlen würden ...
Ich habe noch keinen getestet. Interessieren würde mich aber ein srilankischer Stand namens Kotu Roti. Zum 50 Geburtstag habe ich mir letzten Winter eine Reise nach Sri Lanka geleistet. Dort gab es an jeder Ecke Kotu Roti. Es ist das Armeleuteessen. Als ich von der Reise zurückkam, suchte ich für das Festival einen Kotu Roti-Stand und wurde in Zürich fündig. Der junge Betreiber kam als Jugendlicher als Flüchtling in die Schweiz und wuchs bei einer Pflegefamilie auf. Er beeindruckte mich.

Was gefällt Ihnen am diesjährigen Buskers besonders gut?
Die Qualitität der Acts ist sehr hoch und gleichzeitig ist das Programm breitgefächert. Und die Artisten sind alles sehr liebe Leute.
Wo bringen Sie eigentlich all die Künstler unter?
In zwölf Berner Hotels, die uns entweder einen guten Preis machen oder gar mehrere Zimmer gratis überlassen. Sogar im Hotel Schweizerhof können wir zwei Künstlerinnen unterbringen. In meinem Alter weiss ich selbst, wie wichtig ein guter Schlaf ist.
Hat sich die Buskerszene in den letzten 16 Jahren verändert?
Ja, sie ist professioneller geworden. Die Künstler sind besser.
Und inhaltlich?
Es gibt eine sehr interessante internationale Puppenspielerszene. Sie ist etwas vom Spannendesten, was es im Moment gibt. Allerdings ist die Strasse für das leise Puppenspiel schwierig. Ich dachte daher bereits daran, im Winter ein Puppenspielerfestival zu organisieren. In Bern kennen wir ja nur das eine Puppentheater.
Was beobachten Sie noch?
Die Balkanwelle ist vorüber. Sie ist jetzt im Mainstream angekommen. Das Traktorkestar ist übrigens schon vor zehn Jahren bei uns aufgetreten. Mich interessieren heute eher leisere und experimentellere Sounds wie zum Beispiel die von Tara Fuki. Das sind zwei tschechische Cellospielerinnen.
Mittlerweile gibt es in der Schweiz diverse Strassenmusikfestivals: Chur, Lugano, St. Gallen und Neuchatel. Spüren Sie die Konkurrenz?
Nein. Wir haben immer noch einen sehr guten Ruf. Die Künstler kommen gerne zu uns und schätzen das Berner Publikum. Mit Luzern und Neuenburg arbeiten wir zusammen und tauschen Artisten aus oder teilen uns die Reisespesen von einzelnen Gruppen. Chur und St. Gallen haben das Konzept des Berner Buskers kopiert.
Alles in allem klingen Sie aber zufrieden.
Ja. Der Bändeli-Verkauf läuft gut. Und an den ersten beiden Tagen sind je zwischen 20 000 und 25 000 Besucher und Besucherinnen gekommen.
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