«Alec von Graffenried ist kulturaffiner als sein Vorgänger»
Die Kulturszene hat klare Erwartungen an die Kulturpolitik des neuen Stadtpräsidenten.

Mit der Wahl von Alec von Graffenried (GFL) zum neuen Stadtpräsidenten erhält Bern auch einen neuen «Kulturminister». Neben der Stadtplanung gehört die Kulturpolitik zu den wichtigsten Dossiers in der Präsidialdirektion. Bereits im Wahlkampf fand von Graffenried durchaus Anhänger in der Berner Kultur. So waren in seinem Unterstützungskomitee diverse Namen von Kulturschaffenden, aber auch von Kulturunternehmern zu finden: etwa Event-Veranstalter Philipe Cornu, Beat «Beat Man» Zeller, Musiker und Besitzer des Plattenlabels Voodoo Rhythm Records, der Herausgeber des Kulturmagazins «Ensuite», Lukas Vogelsang, der Akkordeonist Mario Batkovic, der Kurator Marks Blond oder die Theatermacherin Livia Ann Richard.
Vorsichtiger Optimismus
Seine Wahl wird mit vorsichtigem Optimismus aufgenommen. «Ich habe mich für Ursula Wyss starkgemacht, dennoch stimmt mich die Wahl von Graffenrieds zuversichtlich», sagt Christian Pauli, Präsident des Vereins Bekult, des Dachverbandes der Berner Kulturveranstalter. Pauli gehörte zu den lautstarksten Kritikern der Kulturpolitik unter Alexander Tschäppät. Eine definitive Einschätzung sei zu diesem Zeitpunkt noch schwierig. «Es ist aber gut, dass das Dossier in neue Hände kommt. Ich hoffe auf frischen Wind und dass kulturpolitische Fragen auf Veranlassung des Stadtpräsidenten künftig stärker diskutiert werden als bisher.» Alec von Graffenried gelte als «kulturaffin», sagt Pauli, «wahrscheinlich stärker als sein Vorgänger».
Tatsächlich überliess von Graffenrieds Vorgänger Alexander Tschäppät (SP) viele Fragen Veronica Schaller, der Leiterin des Amtes für Kultur. Diese stellte sich lange auf den Standpunkt, die Stadt brauche keine Kulturstrategie, eine solche sei auch von Kulturschaffenden gar nicht gewünscht. Erst auf Druck aus Politik und Kultur, unter anderem auch von Bekult, entschloss sie sich, dennoch ein solches Papier erarbeiten zu lassen. Seit vergangenem Dezember ist die Kulturstrategie auf dem Tisch. Vom neuen Stadtpräsidenten erwarte er in erster Linie, dass er bei den vielen Massnahmen aus der Kulturstrategie Prioritäten setze, so Pauli.
Auch Bernhard Giger will den neuen Stadtpräsidenten am Umgang mit der Kulturstrategie messen. Giger ist Leiter des Kornhausforums und Mitinitiator der Kulturkonferenz, die versuchte, die Ansprüche der Berner Kulturschaffenden hinsichtlich eines Kulturkonzeptes zu sammeln. Der neue Stadtpräsident solle sich voll hinter die Kulturstrategie stellen und vor allem die darin enthaltenen kurzfristigen Massnahmen zügig umsetzen, sagt Giger. Dazu gehört für ihn in erster Linie die Vereinfachung des Bewilligungsverfahrens. Er hoffe zudem, dass sich von Graffenried für die «vielfältige Kultur in der Stadt Bern» starkmache und sich nicht in erster Linie an «Leuchtturm-Projekten» orientiere. «Wie ich von Graffenried bisher kennen gelernt habe, ist er für diese Vielfalt durchaus offen.»
Wyss war «fassbarer»
Etwas skeptischer gibt sich Niklaus Wenger, Künstler und Präsident von Visarte, dem Berufsverband der visuell schaffenden Künstlerinnen und Künstler in Bern. «Ursula Wyss war für mich fassbarer. Sie wäre mir als Kulturministerin näher gewesen», sagt er. Von Graffenried habe einen «etwas unglücklichen Einstieg» gehabt. Wenger spricht damit das angebliche Projekt der Burgergemeinde zur sozialen Sicherung von Künstlern an, welches von Graffenried an einem Wahlkampfpodium erwähnte. Tatsächlich existiert bei der Burgergemeinde kein solches Vorhaben. Wie sich von Graffenried für diese soziale Absicherung einsetzt, sei einer der Punkte, bei denen er genau hinschauen werde, so Wenger.
Welche Positionen vertritt von Graffenried? Der neue Stadtpräsident war am Dienstag nicht erreichbar. Wie auch die anderen Stadtpräsidiumskandidaten hatte er aber an einer Umfrage von diversen Berner Kultur- und Künstlerverbänden zu kulturpolitischen Thesen teilgenommen. Darin plädierte er – neben einem transparenten und dialogbereiten Kultursekretariat – für ein sogenanntes One-Stop-Verfahren für Bewilligungen und Förderungsgesuche, also eine einzige Anlaufstelle für diese Anliegen. Auch höhere Beiträge für die freie Szene und eine verbesserte soziale Absicherung von Künstlern fanden seinen Zuspruch – Punkte also, die auch den Vertretern der Kulturszenen wichtig sind. Und so sagt auch Sibylle Heiniger von ACT, dem Berufsverband freier Theaterschaffender: «In diesen Punkten nehmen wir ihn gerne beim Wort.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch