30 Jahre Pathos
Heute vor 30 Jahren ernannte der Bundesrat «Trittst im Morgenrot daher» zur offiziellen Nationalhymne. Der Schweizerpsalm bot seither viel Anlass für Pathos, Verballhornung und diplomatische Missgeschicke.

Heute ist es 30 Jahre her, seit der Bundesrat den Schweizerpsalm zur offiziellen Schweizer Nationalhymne erklärte. Das 170 Jahre alte Lied «Trittst im Morgenrot daher» wird auch despektierlich «helvetischer Wetterbericht» genannt.
Der Spitzname bezieht sich auf die vier Strophenmotive «Morgenrot», «Abendglühn», «Nebelflor» und «wilder Sturm». Auch sonst musste und muss der pathetisch-schwülstige Text von Leonhard Widmer (1808-1868) viel Verballhornung erdulden, unter anderem in der Schülerversion «Trittst im Morgenrock daher, mit dem Nachttopf voll und schwer».
Etwas intelligenter variierte 2008 ein Student den Text. In seiner Version hiess es in der zweiten «Katastrophe»: «Kommst vom Morgenland daher,/ Übers schöne Mittelmeer,/ Du, so menschenfeindlicher, Libyer!»
Den richtigen Text des Schweizerpsalms kennen die wenigsten Schweizer, wie der Autor des zugehörigen Wikipedia-Artikels etwas süffisant bemerkt; deshalb müssten bei offiziellen Feiern stets Handzettel verteilt werden. Diese Form des Spickens ist allerdings mittlerweile überholt, denn auch für die Schweizer Landeshymne gibt es eine entsprechende App.
Pathos schafft Identität
2004 hatte die Berner SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen eine Motion zur Modernisierung der Landeshymne eingereicht. Die Hymne widerspiegle den zu ihrer Entstehungszeit in Hochblüte stehenden Nationalismus. Zudem sei sie schwülstig, kompliziert sowie frauen- und ausländerfeindlich.
Obwohl Verse wie «Wenn der Alpenfirn sich rötet,/ Betet, freie Schweizer, betet!/ Eure fromme Seele ahnt/ Gott im hehren Vaterland» heute kaum noch verständlich sind, zog Kiener Nellen die Motion zurück - zu stark war der Widerstand im Nationalrat.
Der Bundesrat gab damals zu bedenken, dass gerade der pathetische Charakter für viele ein «identitätsstiftendes Moment» beinhalte. Die Verszeile «Seh ich dich im Strahlenmeer» dürfte allerdings künftig so manchem im Halse stecken bleiben.
Schon bei der Geburt vergreist
Der Schweizerpsalm hatte bereits 1961, als er provisorisch zur Nationalhymne erklärt wurde, reichlich Patina angesetzt. Entstanden war das Stück 1841. Der Wettinger Zisterziensermönch Alberich Zwyssig passte damals einen Text des Zürchers Leonhard Widmer seinem eigenen, 1835 komponierten Messegesang «Diligam te Domine» an und nannte das Lied «Schweizerpsalm».
Dieser erschien 1843 erstmals in einem Festheft der Zürcher Studentenverbindung Zofinger. Das Lied erfreute sich bei Männergesangsvereinen wachsender Beliebtheit und wurde häufig zu patriotischen Feiern gesungen. Zwischen 1894 und 1953 lehnte der Bundesrat allerdings alle Vorstösse ab, den Schweizerpsalm zur offiziellen Landeshymne zu machen.
Diplomatische Verwechslungsgefahr
Bei den im 20. Jahrhundert immer häufiger werdenden diplomatischen Anlässen wurde zunächst «Rufst du, mein Vaterland» gesungen. Dass der Text des Berners Johann Rudolf Wyss nach der Melodie der britischen Nationalhymne «God Save the Queen» gesungen wurde, sorgte aber wiederholt für Verwirrung.
1961 wurde der Schweizerpsalm für vorläufig drei Jahre provisorisch als Landeshymne eingeführt. Danach stimmten sechs Kantone dagegen, zwölf dafür und sieben verlangten eine Fristverlängerung. Nachdem aber kein valabler Gegenvorschlag einging, wurde «Trittst im Morgenrot daher» am 1. April 1981 die erste offizielle Schweizer Nationalhymne.
SDA/mrs
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