176 Tasten voll im Griff
Die phänomenalen Pianisten Kenny Barron und Benny Green begegnen sich am Jazzfestival Bern auf Augenhöhe.

Paarungen von Pianisten gibt es im Jazz aus zwei Gründen sehr selten. Erstens ist die Gefahr sehr gross, dass man sich gegenseitig ins Gehege kommt. Zweitens ist das Vorhandensein von zwei gut gestimmten Flügeln für Jazzverhältnisse purer Luxus. In der Regel vollziehen sich solche Paarungen auf der grossen Konzertbühne oder im Tonstudio. Der Auftritt der Pianisten Kenny Barron und Benny Green im intimen Ambiente von Marians Jazzroom darf daher als kleines Wunder bezeichnet werden.
Mit Jahrgang 1943 ist Kenny Barron zwanzig Jahre älter als Benny Green - er könnte also problemlos die Rolle des Platzhirsches einnehmen. Beim Auftaktkonzert war allerdings kein Gefälle zwischen den zwei phänomenalen Pianisten festzustellen. Statt ein Kräftemessen zu veranstalten, brachten sie unterstützende und herausfordernde Elemente mit Eleganz und Eloquenz in Balance und vermieden dabei überflüssige Exzesse und Effekthascherei. Aus den zwei Flügeln mit ihren je 88 Tasten fabrizierten sie sozusagen ein mal subtil, mal hefitg swingendes Jazzkammerorchester.
Spontan und interaktiv
Die meisten Stücke begann ein Pianist alleine, während der andere genau zuhörte, um sich sodann ergänzend ins musikalische Geschehen einzubringen. Mit anderen Worten: Barron und Green verzichteten vollauf auf abgekartete Vorgaben und ausgeklügelte Arrangements, sondern entfalteten ihren Gestaltungswillen in spontaner und interaktiver Weise. In der begleitenden Rolle folgte Green dabei häufig der Devise «Weniger ist mehr», indem er sich auf das Kreieren von Basslinien fokussierte.
Abgesehen von einer Barron-Komposition älteren Datums («New York Attitude») ging das Duo bei seinen inspirierten improvisatorischen Exkursen von Stücken aus dem Standards-Repertoire aus: Als Beispiele seien hier der Song «How Deep is the Ocean», den Irving Berlin 1932 mitten in der Depressionszeit schrieb, sowie der Walzer «Up Jumped Spring» aus der Feder Freddie Hubbards genannt (in seiner Ansage nannte Green Hubbard «den grössten Trompeter aller Zeiten»). Als Zugabe gabs eine hinreissende Version eines Blues von Thelonious Monk mit Titel «Ba-lue Bolivar Ba-Lues-Are» (der Titel ist eine Anspielung auf das Hotel Bolivar in New York, wo zeitweise die Jazzmäzenin Baroness Pannonica de Koenigswarter zu nächtigen pflegte).
In vieler Hinsicht unterschiedlich
Obwohl Barron und Green eine ähnliche Spielweise pflegen, unterscheiden sie sich in vielerlei Hinsicht, zum Beispiel in der Art, wie sie ihre auf dem Bebop-Vokabular basierenden Single-Note-Linien zu phrasieren pflegen: Sehr flüssig und schlüssig Barron, wesentlich perkussiver und etwas sperriger Green.
Alles in allem haben wir es im Fall von Barron und Green mit einer kongenialen Paarung von zwei Pianisten mit ähnlichen Vorlieben zu tun, die miteinander und nicht gegeneinander musizieren. Was dabei herauskommt, wenn man total antagonistisch ans Werk geht, kann man auf dem Live-Mitschnitt «Embraced» erleben, der 1977 bei einem Konzert von Mary Lou Williams und Cecil Taylor entstand.
Leider noch keine Duo-CD
Wesentlich symbiotischer verliefen die Begegnungen der Klangfarbenmagier Bill Carrothers und Marc Copland («No Choice», 2006) sowie der Avant-Jazz-Masterminds Kris Davis und Craig Taborn («Octopus», 2018). Von den Modern-Mainstream-Maestros Barron und Green gibt es leider noch keine Duo-CD.
Weitere Konzerte in Marians Jazzroom bis Samstag, 21. April. www.jazzfestivalbern.ch
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch